27. September 2022

Nur ein Original

Wie ihr vielleicht wisst, habe ich früher in Teenagerjahren immer meine Haut bearbeitet, wenn ich online Bilder geteilt habe (was in einem Forum war, ich war nie auf Facebook oder privat auf Instagram & Co.). Ich war im Gegensatz zu heute noch nicht so weit, meine Haut ganz offen zu zeigen und mich damit verletzlich zu machen. Jeder Pickel, jede Wunde, jede Narbe wurde mit einem Bilbearbeitungsprogramm wegradiert. Kein Foto wurde gezeigt, ohne, dass ich vorher sämtliche Textur aus meinem Gesicht entfernt habe. Trotz eher dürftigen Mitteln wurde ich sehr schnell Profi darin, meine Haut so zu bearbeiten, wie ich sie mir auch in echt gewünscht habe. Natürlich konnte mein Spiegelbild nie mit den bearbeiteten Fotos mithalten und diese Bearbeitung fühlte sich insgeheim an wie eine Maske, die ich mir aufsetze. Gleiches galt für die viele Schminke, mit der ich schon vorher versuchte, die Spuren des Skin Pickings zu minimieren. Ich habe keine Kosten und Mühen gescheut, die Königin des Versteckspiels zu sein.

Das ist nun viele Jahre her... Inzwischen gibt es ganz andere Mittel und Wege, sein Aussehen auf Bildern komplett (!) zu verändern. Es wird immer einfacher, zugänglicher und unsichtbarer. Fast schon erschreckend, was Bildbearbeitungsapps auf dem Handy oder Filter bei Instagram und TikTok heute alles können! Es ist nichts Neues mehr, wenn ich euch erzähle, dass viele Menschen nur ihre beste Seite auf den sozialen Medien zeigen. Leider ist das nicht selten eine Version von ihnen, denen sie nicht mal selbst gerecht werden können. Denn niemand sieht aus wie die unzähligen Filter, die am Ende aus den ganzen einzigartigen Gesichtern das gleiche, langweilige Einheitsface machen. Ich mag mir nicht ausmalen, was das für eine Wirkung auf die heutige Jugend haben muss, diese unerreichbare Perfektion ständig überall zu sehen, sobald man sich in den sozialen Medien bewegt. Zum Glück gibt es auch eine starke Gegenbewegung, die genau diesen Problemkomplex sichtbar machen und ein Bewusstsein dafür schaffen möchte! Klar, man muss dafür erst einmal in diese Bubble reinkommen, aber wenn man erst drin ist, will man gar nicht mehr raus - so meine Meinung! Ich bin froh, selbst nicht unter solchen Umständen aufgewachsen zu sein. Vom Alter bin ich je nach Einteilung zwar genau auf der Grenze zwischen Gen Y und Gen Z, aber wegen verschiedener Gründe fühle ich mich der Gen Y (den Millennials) vieeeel zugehöriger. Erst mit 12 oder 13 hatte ich bspw. mein erstes Handy - ein Schiebehandy ohne Internet oder Touch. Keine Ahnung, wie alt ich war, als ich zum ersten mal Whatsapp hatte, aber es war sehr spät. Instagram, Facebook, Snapchat und das alles hatte ich nie. Hat mich nie gereizt, im Gegenteil. Deshalb blieb ich von dem verschont, was für die Jugend von heute beinahe unumgänglich scheint.


Und auch, wenn diese Thematik wie gesagt nichts Neues ist, finde ich es gut, dass es die besagte Gegenbewegung gibt, die sich für die natürliche, unperfekte Schönheit des unbearbeiteten Aussehens ausspricht. Es gibt eine ganze Reihe von Accounts, die das ganz wunderbar anhand von Fotos, Reels etc. zeigen - bei Interesse könnt ihr auf meinem Instagram das entsprechende Story-Highlight durchsuchen (es gibt aber noch sehr viel mehr Accounts, die ich nicht kenne).
Trotzdem wollte ich auch mal so eine Art von Gegenüberstellung ausprobieren. Was ich hier schon ab und zu mal gezeigt habe, sind meine Pickel-und-Wunden-Wegzauberkünste. Sprich ich habe ein normales Foto von mir hergenommen und dort meine Hautunreinheiten, Narben usw. entfernt. Das letzte Mal war letzten Sommer mit diesem Post und unter diesem Link findet ihr ein anderes Beispiel aus 2018. Finde es einfach ganz spannend, mir das anzusehen, wie ich aussehen könnte, würde ich kein Skin Picking haben. Das seht ihr auch in der obigen Vierercollage auf dem zweiten Bild. Bild 1 ist das Original, Bild 2 ist das Original ohne Pickel, Wunden, Narben, Pigmentflecken und den ganzen Spaß. Bei Bild 3 seht ihr auf den ersten Blick eventuell gar keinen großen Unterschied und das war auch Absicht. Ich habe meine Gesichtszüge hier und da ganz unscheinbar perfektioniert: Schmaleres Gesicht und schmalere Kinnlinie, größere Augen, kleinere und schmalere Nase, größere und vollere Lippen, niedrigere Stirn, etwas dickere Augenbrauen. Hinterher noch die Augen aufgehellt und die Lippen nachgedunkelt. Easy und dafür wirkt es noch relativ natürlich. Als würde ich wirklich so aussehen. Aber wenn ihr auf Bild 4 schaut, seht ihr, dass ich dort wieder meine eigenen Gesichtszüge habe. Hier habe ich stattdessen ein Make-Up per Bildbearbeitung auf mein Gesicht gelegt. Kann ich mir in Zukunft die Zeit morgens sparen, oder?






Und so wird aus dem originalen Foto eine völlig fremde Version von mir. Eine Jacqueline, die es gar nicht gibt! So sehe ich nicht aus. Und das ist völlig okay so! Ich darf spärliche und dünne Augenbrauen, blasse Lippen, starke Augenringe, Schlupflider, straßenkötergraue Haare, einen uneinheitlichen Hautton, eine hohe Stirn, eine krumme Nase und insbesondere all meine Spuren der Dermatillomanie haben.* Ich bin und bleibe dennoch ich. Ich will jeden Tag versuchen, mit freundlichen Augen auf mich zu schauen und nie wieder in den Hass zu verfallen, den ich aus Teenagerzeiten kenne. Es bringt nichts, mich selbst aufgrund von Äußerlichkeiten runterzumachen, an denen ich sowieso nichts ändern kann. Ich bin ein wertvoller Mensch und mein Wert wird nicht durch mein Äußeres bestimmt! Die Menschen, die zählen, schauen sowieso hinter das Äußere und die, die das nicht können, dürfen mir fern bleiben. Ich bin mehr als meine Haut oder mein Skin Picking.

*Wundert euch nicht, dass ihr vielleicht nicht alles davon gut auf dem Foto erkennen könnt - meine Augenbrauen sind leicht nachgezeichnet, meine Haare gefärbt, meine Hakennase sieht man nur von der Seite... Die Wahrheit ist: Es gibt nur ein Original und das sitzt gerade in seinem Zuhause auf dem Stuhl am Schreibtisch. Auch die Linse einer Handy-, Digital- oder Spiegelreflexkamera verändert mein Aussehen und das teilweise drastisch, glaubt mir.

Im Nachgang möchte ich euch noch die restlichen Aufnahmen der Bildreihe zeigen, denn eigentlich hatte ich gedacht, dass ich nur ganz normal meine Haut zeigen will. Aber der letzte Post der "Eindrücke meiner Haut"-Reihe ist erst einen halben Monat her, von daher...




Auf dem letzten Bild erkennt man ganz gut, dass ich nicht nur die recht frischen Wunden und neueren Narben auf der Haut trage, sondern dass auch alte Narben mein Hautbild prägen. So viele Stadien von Hautheilung nebeneinander, wie spannend! Die ganz alten Narben erscheinen eher weißlich, sie können vermutlich nicht mehr so gut Melanin bilden!? Bin kein Profi, sorry. :D Aber diese weißlichen Narben sind auch das, was mir auf den Oberarmen und Schultern geblieben ist. Dort hat mein Skin Picking ja angefangen. Heute habe ich kaum noch was an diesen Körperpartien, aber die kleinen, hellen Narben verschwinden nie. Sie stören mich allerdings nicht und sind von Weitem auch gar nicht erkennbar, dafür muss man schon nah rangehen. Generell hat sich mein Blick auf meine sichtbaren Spuren des Skin Pickings sehr verändert. Hätte ich früher als Teenager mit Hass, Verachtung, Trauer und riesiger Scham auf diese Fotos geblickt, so empfinde ich heute eine ziemliche Neutralität. Ja, das bin halt ich. Na und? Ich habe mal anders ausgesehen, aber meine Haut wird nie wieder so unversehrt sein wie vor dem Beginn meiner BFRB-Erkrankung. Das ist aber völlig in Ordnung! Ich will auch gar nicht, dass die Narben komplett verschwinden. Eines Tages wird meine Haut weiter verheilt sein und es werden keine neuen Narben mehr hinzukommen, aber das Alte darf bleiben. Es erinnert mich stets daran, dass ich all das geschafft habe und schon immer größer war als das Skin Picking.

20. September 2022

Rezension - "Frieden mit meiner Haut"

Hey hey! :)
 
Ich hatte euch im Juli davon berichtet, dass ein weiteres deutschsprachiges Buch über Skin Picking erschienen ist, was hauptsächlich die Geschichten von (ehemals) Betroffenen erzählt, die sich als (überwiegend) geheilt ansehen. Über die vergangenen Tage habe ich das Buch, welches mir als Rezensionsexemplar vom Verlag zugesendet worden ist, durchgelesen. Das heißt, heute möchte ich euch eine kleine (well... ist doch nicht sooo klein) Rezension schreiben, die euch bestenfalls bei der Entscheidung helfen kann, ob das Buch etwas für euch sein könnte oder nicht.

Zuerst zu den Eckdaten des Buchs:
Titel: Frieden mit meiner Haut. Wege, Skin Picking zu überwinden
Erscheinungsdatum: Juli 2022
Verlag: Mabuse-Verlag (Frankfurt am Main)
Autoren: Ingrid Bäumer und Christina Gallinat
ISBN: 978-3-86321-615-3
Bestellbar über den Verlag oder über Amazon.
Preis: 19 Euro
Seitenanzahl: 176 Seiten

Nun ganz grob zu den Inhalten des Buchs, damit ihr wisst, was ihr im Buch finden könnt und was nicht. Das Buch hat 6 Kapitel bzw. Abschnitte, die sich wie folgt aufgliedern: Vorwort, Teil A mit den Geschichten der Betroffenen, Teil B mit Infos zur Wirksamkeit von Therapieverfahren, Teil C mit Infos zur Selbsthilfe und zu guter Letzt die Danksagung und die Medienempfehlungen sowie Quellenangaben. Es ist ganz klar, dass der Teil A das Herzstück des Buches und gleichzeitig auch die Intention hinter diesem Buch ist (daher auch von mir großen Respekt und noch größeres Danke an alle, die ihre Geschichte beigesteuert haben!). Mit knapp 100 Seiten nimmt dieser Abschnitt folglich den größten Raum ein, was meiner Meinung nach definitiv berechtigt ist. Ihr findet hier 11 Betroffene mit ihren ganz individuellen Geschichten, Heilungswegen und Learnings; darunter auch Ingrid Bäumer und Angela Hartlin, die Vorreiterin in Sachen Öffentlichkeitsarbeit aus Kanada.

Ein wenig überraschender, aber dennoch wichtiger Hinweis: Die gleich folgende Rezension von "Frieden mit meiner Haut" basiert auf meiner persönlichen Meinung und Leseerfahrung. Ihr als Betroffene mit einer eventuell völlig anderen Krankheitsgeschichte könntet das Buch ganz anders lesen und empfinden als ich. Seid euch dessen bitte bewusst! Dennoch freut es mich, wenn euch meine Einschätzung hilft oder sogar motiviert, das Buch zu erwerben. Schließlich würden eure ganz individuellen Learnings in dem Buch warten.

Zuerst möchte ich loswerden, dass ich das Vorwort schön geschrieben und sehr einladend fand. Es enthielt außerdem bereits einige wichtige Hinweise zum Thema und hat knapp erläutert, was in welchem Kapitel auf die Leser wartet. Dadurch war ich richtig eingestimmt und die Geschichten der Betroffenen standen nicht so leer ohne Einleitung da. Es gab dazu auch eine kurze Erklärung der wichtigsten Begriffe, was für mich persönlich überflüssig ist, da ich mit den Begriffen gut vertraut bin und mich schon sehr lange intensiv mit dem Thema beschäftige. Aber für Betroffene, die erst am Anfang ihrer Auseinandersetzung stehen, könnte das hilfreich sein.

Danach folgten bereits die Geschichten der Betroffenen, die Kern meiner Rezension werden und hier möchte ich eins anmerken: Ich habe mich dazu entschieden, die einzelnen Lebens- und Heilungswege der Betroffenen nicht zu kommentieren oder gar zu bewerten. Erstens will ich in dieser Rezension nichts vorwegnehmen, zweitens werden sehr persönliche und intime Informationen geteilt, die ihr bitte selbst direkt im Buch lesen sollt/müsst und drittens sehe ich mich nicht annähernd in der Position, diese Geschichten zu kommentieren. Jetzt fragt ihr euch vielleicht, was ich stattdessen in meine Rezension schreiben werde und das kann ich euch gerne beantworten. Ich werde versuchen, euch ein paar Stichworte zusammenzuschreiben, die den Versuch wagen, zu beschreiben, was mir die Geschichten mitgegeben haben oder was hängengeblieben ist. Es sind also Erkenntnisse, Learnings und Impulse meinerseits, die ich während des Lesens hatte. Dabei werde ich mit einer Ausnahme auch darauf verzichten, die Namen oder Pseudonyme der jeweiligen Geschichte zu nennen. Zum Ende möchte ich ein Fazit zum Buch insgesamt ziehen und eine endgültige Empfehlung aussprechen.

Die Ausnahme von Namensnennungen betrifft Ingrids Geschichte, weil sie in der Community bekannt ist und eine sehr tragende Rolle spielt. Sie steht in diesem Buch mit ihrem Namen für ihre Geschichte und teilt schonungslos offen und ehrlich, wie es ihr mit dem Skin Picking ergangen ist. In Teilen war das Gelesene neu für mich, andere Teile waren mir bereits bekannt, weil ich schon so lange mit Ingrid in Kontakt stehe. Trotzdem zeigte sie auch für mich eine völlig neue und bisher unbekannte Art der Verletzlichkeit, die meiner Meinung nach genau richtig für dieses Buch war. Ich war sehr fasziniert von Ingrids Geschichte und davon, welche Umwege oder unkonventionellen Wege sie genommen hat, um ihre persönlichen Erfolge zu erzielen. In ihren Zeilen fand ich sehr schnell eins meiner ersten Learnings zum Thema Heilung: Dass es ein Ideal ist, welchem wir Betroffene uns nähern und dass es im Englischen eine passende Bezeichnung dafür gibt, nämlich "in recovery". Es ist ein Weg der Heilung, keine Station, die man einmal ganz erreicht und für immer dort verweilt. Außerdem beschreibt Ingrid im Zusammenhang mit dem Weg der Heilung ein Gefühl von Befreiung. Als ich versucht habe, mir dieses Gefühl vorzustellen, habe ich mich gefragt, was es für mich persönlich bedeuten mag, frei von Skin Picking zu sein. In welchen kleinen oder großen Momenten könnte mir diese Freiheit auffallen? Eine extrem spannende Frage, wie ich finde und so hat mich bereits die erste von 11 Geschichten zum Nachdenken angeregt. Dazu gehörte auch, dass Ingrid einen Perspektivwechsel auf ihr Skin Picking erlebt hat, welchen sie in jüngeren Jahren wohl nie für möglich gehalten hätte. Und das ist etwas, was ich euch gerne mitgeben möchte! Auch, wenn ihr glaubt, dass ihr euer Skin Picking für immer verabscheuen werdet, könnte es sehr gut sein, dass ihr in 5, 10, 15 Jahren eine neue Sichtweise kennengelernt habt. Ein Letztes, was mir Ingrid mitgegeben hat: Eigenlob stinkt nicht, sondern duftet himmlisch! Wir dürfen und sollten öfter mal stolz auf uns und unsere vielleicht noch so kleinen Erfolge sein. Das stärkt unseren Selbstwert und den können wir verdammt gut gebrauchen. Danke Ingrid für diese ganzen wichtigen Impulse!

Meine weiteren Erkenntnisse, Learnings und Impulse (nicht vollständig, da ihr ganz sicher viele andere Learnings haben werdet):
  • Skin Picking kann sich wie ein sich ständig wiederholender Kontrollverlust anfühlen - wie etwas, was die vollkommene Macht über uns besitzt. Oft haben wir Betroffene das Gefühl, den Einschränkungen komplett ausgeliefert zu sein. Aber wenn wir aktiv erste Schritte in Angriff nehmen, dann können wir merken, dass wir gar nicht so machtlos sind wie wir oft glauben. Wir können Dinge in die Hand nehmen und uns dadurch ein Gefühl von Selbstermächtigung schenken.
  • Weil Skin Picking so schambehaftet ist, ist es eine Erkrankung, die viele Betroffene einzig mit sich selbst ausmachen. Das ganze Leid, die kreisenden Gedanken, die vielen unterschiedlichen und teilweise sehr starken Gefühle - ganz schön viel für eine Person allein. Was für eine Bedeutung und Kraft es hat, sich zu öffnen (egal, ob in Therapie, in einer Selbsthilfegruppe oder gegenüber seinen Lieben), ist mir bei der Lektüre erneut bewusst geworden. Dadurch können wir nicht bloß endlich mal loslassen, sondern auch besser strukturieren, was uns sonst als wirres Wollknäuel im Gehirn rumspringt.
  • Dermatillomanie zeigt sich nicht bloß auf der Haut, es kann das ganze Leben einer betroffenen Person beeinflussen. Wenn wir uns zum Beispiel aus Scham verstecken, dann schränken wir uns einerseits ein und sorgen andererseits unbeabsichtigt dafür, dass wir einen Teil unserer Person zurückhalten und verleugnen. Dadurch können wir uns schlimmstenfalls selbst fremd werden oder gar verlieren. Und mir ist klar geworden, dass dieser Aspekt sehr stark auf mich zutrifft/zugetroffen hat. Die jüngere Jacqueline war überhaupt nicht sie selbst, sondern stand neben sich und war sich fremd. Dadurch, dass ich mir so viele Jahre meines Lebens fremd war (gerade in der Zeit des Lebens, wo wir uns selbst finden wollen und sollen), weiß ich eigentlich ziemlich wenig über mich und das bis heute. Mein Skin Picking ist nicht der einzige Grund dafür, aber mir ist beim Lesen des Buches deutlich geworden, wie schlecht ich mich selbst, mein Kindheits-Ich und mein Teenie-Ich kenne... Das war eine bittere Erkenntnis.
  • Damit verbunden war das Learning, dass Selbstwahrnehmung eine echte Grundkompetenz ist, die wir nicht unterschätzen sollten. Es ist total wichtig, dass wir unsere eigenen Gedanken, Gefühle, Verhaltensmuster, Eigenschaften und Bedürfnisse kennen- und verstehen lernen.
  • Das kann uns wiederum dabei helfen, unsere eigenen Grenzen festzulegen, sie gut zu kennen und auch zu wahren. Skin Picking ist oft auch mit viel grenzüberschreitenden Erfahrungen verbunden und das, obwohl Grenzen für uns von besonders hoher Relevanz sind. Man lernt leider nicht von heute auf morgen, wie man seine Grenzen am besten schützt, denn das ist ein vermutlich lebenslanges Unterfangen.
  • Perfektionismus und Skin Picking sind beste Freunde, scheint mir. Ich bin, wie viele andere Betroffene auch, eine absolute Perfektionistin, was mir im Leben oft unnötig viel Frust bereitet. Obwohl mir das eigentlich total bewusst ist, habe ich beim Lesen einer der Geschichten gemerkt, wie weit das wahre Ausmaß des Perfektionismus reicht und mit wie vielen negativen Glaubenssätzen er eigentlich verbunden ist. Klar, Perfektionismus hat auch seine Funktionen und kann wie eine Orientierungsstütze wirken, aber man muss echt aufpassen, dass es nicht der einzige Wegführer für einen wird. Denn niemand ist perfekt und es gibt keine absolute Sicherheit im Leben.
  • Betroffene von BFRB's wie Skin Picking müssen sich häufig mit extrem viel Unverständnis aus ihrem Umfeld herumschlagen. Solange sie selbst noch nie von den Begriffen gehört haben, glauben sie vielleicht sogar, was ihnen das Umfeld direkt oder indirekt vermittelt. Dabei sind wir gar nicht komisch, willensschwach oder Ähnliches! Es gibt da draußen ganz viele andere Betroffene, die unsere Gefühle und Gedanken nur allzu gut nachempfinden können. Ich habe in diesem Buch auf komplett neue Weise verstanden, wie unfassbar wichtig Aufklärung ist. Wir als Betroffene MÜSSEN die Erkrankung bestmöglich verstehen und auch die Gesellschaft oder Fachpersonen sollten ein viel ausgeprägteres Verständnis davon bekommen! Betroffene leiden vieeeeel zu lange, ohne auch nur im Ansatz Bescheid zu wissen. Das muss sich ändern!
  • "Skin Picking ist ein Teil von uns". Wie fühlt ihr euch, wenn ich diesen Satz so in den Raum werfe? Fühlt sich das vielleicht ernüchternd oder provozierend an, weil ihr nicht möchtet, dass es ein Teil von euch bzw. eurem Alltag ist? Oder fühlt sich das mehr nach liebevoller Akzeptanz an, weil ihr nicht länger mit erhobenen Waffen gegen euch vorgehen wollt? Ich habe das bisher immer eher aus der zweiten Perspektive gesagt, weil ich das Skin Picking anerkennen und sehen möchte, bevor ich daran arbeiten kann. Eine der Geschichten hat mir den Impuls gegeben, zu reflektieren, was diese Aussage (noch) bedeuten könnte und inwiefern sich die Bedeutung davon im Laufe der Heilungsgeschichte verändern kann.
  • Verbunden mit der Selbstwahrnehmung ist auch die Selbstachtung. Unsere eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Ziele sind etwas wert und dürfen verfolgt werden. Nein, sie sollten es sogar! Wer verfolgt sie, wenn nicht wir selbst? Eine betroffene Person hat in ihrem Unterkapitel davon berichtet, dass sie erst recht spät im Leben gelernt hat, für sich selbst zu leben und die eigenen Wünsche zu verfolgen und nicht nur die Erwartungen von Anderen zu erfüllen.
  • Stress ist für mich sehr negativ konnotiert und etwas, was ich eigentlich partout vermeiden will. Leider ist das nicht immer möglich und bis zur Lektüre dieses Buches dachte ich nicht selten, dass ich selbst der Fehler in der Rechnung wäre. Also dass es an mir und meinen unzureichenden Kompetenzen liegen würde, dass ich immer wieder viel Stress erlebe und damit nicht gut umgehen kann. Aber ich durfte ein sehr wichtiges Learning mitnehmen, welches da wäre, dass Stress zum Leben dazugehört. Wir können wenig daran ändern, dass es stressige Ereignisse oder Lebensphasen gibt. Jeder Mensch erlebt diese und jeder Mensch geht damit anders um. Wir alle brauchen Wege, um uns zu regulieren und zu entspannen. Person A nimmt Weg a, Person B nimmt Weg b und wir nehmen bisher noch den Weg des Skin Pickings. Aber eines Tages werden wir andere Wege finden, da bin ich mir sicher!
  • Akzeptanz ist nicht gleich Resignation! Nur, weil wir unseretwillen versuchen, dem Skin Picking mit mehr Akzeptanz gegenüberzutreten, heißt das nicht, dass wir es gut finden und für immer in unserem Leben behalten wollen. Akzeptanz macht es uns aber sehr viel einfacher. Falls euch das Thema genauer interessieren sollte, kann ich euch empfehlen, in die Podcastfolge Nr. 27 von Christinas Podcast reinzuhören. Ich fand, dass das eine ihrer besten Podcastfolgen gewesen ist.
  • Während Ingrids Geschichte mir mitgegeben hat, dass Heilung ein Weg ist, habe ich im späteren Verlauf des Teils A verdeutlicht bekommen, dass Heilung wirklich nicht bloß das reine Verhalten oder das Hautbild betrifft. Heilende Impulse können von so vielen verschiedenen Seiten kommen und sich dann addieren. Und obwohl Betroffene das Verhalten noch hin und wieder zeigen, können sie sich als (weitgehend) geheilt ansehen, weil sie keine Einschränkungen mehr erleben.
  • Auf dem Weg der Heilung müssen wir eine Menge Anstrengungen auf uns nehmen und viel an uns selbst ändern. Aber wo sollen wir anfangen? Was hat oberste Priorität? Falls euch Fragen dieser Art auch beschäftigen sollten, dann findet ihr folgenden Impuls wahrscheinlich auch ganz hilfreich: Das Handeln vor den Gefühlen und Gedanken ändern zu wollen, ist unmöglich. Die Arbeit an unserer Gefühls- und Gedankenwelt muss die Basis sein und darauf aufbauend kann das Handeln Stück für Stück verändert werden. Das war mir vorher gar nicht wirklich bewusst.
  • Vielleicht ist euch das schon völlig klar, aber mir hat die Einsicht geholfen, dass Heilung kein passiver Vorgang ist, der mit einem passiert. Heilung ist ein aktiver Prozess von innen heraus, der bei Bedarf von Fachpersonen unterstützt werden kann. Aber niemand Anderes als ihr selbst kann diese Reise auf sich nehmen, es ist eure Verantwortung!
  • Zum Ende der Betroffenengeschichten kam mir nochmal eine weitere bittere, aber hilfreiche Erkenntnis, die ich hier nur andeuten werde. Es ging darum, dass unsere psychische Gesundheit und unser allgemeines Wohlbefinden die zwei größten und wichtigsten Schlüsselfaktoren sind, um heilen zu können. So weit, so gut. Das klingt ziemlich logisch, oder? Aber als ich das gelesen habe, hatte ich einen dieser Momente, in denen mir klar wird, dass es mir nicht gut geht und auch die vergangenen Jahre nicht gut ging, im Gegenteil. Und solange sich das nicht ändert, werde ich das Skin Picking nicht loswerden.
  • Heilung zu erreichen, ist etwas, was einem wieder genommen werden kann. Ja, Heilung ist ein Weg, aber dieser Weg wird in den wenigstens Fällen an seinem Ende eine feste und sichere Endstation bereithalten. Heilung ist kein endgültiger Zustand, sondern etwas, was lebenslange Arbeit erfordert und durch äußere Zustände leider wieder zunichtegemacht werden kann. Was daran aber ermutigend sein könnte: Wenn ihr es einmal geschafft habt, werdet ihr es mit Sicherheit ein zweites Mal schaffen!
  • Zu guter Letzt: Wir sollten uns in Selbstvergebung üben! Wir können nichts dafür und haben uns die Erkrankung nicht ausgesucht. Wir haben Mitgefühl verdient, auch von uns selbst. Das ist keine leichte, aber eine mögliche Aufgabe! Wir können das lernen. Vielleicht hilft es euch, das über andere Betroffen zu lernen - das geht besonders gut über Selbsthilfegruppentreffen. Da könnt ihr sehen, dass die anderen Betroffenen einfach nur ganz liebe, wunderbare Menschen sind, die das Beste der Welt verdient haben. Eventuell könnt ihr das dann im zweiten Schritt auf euch selbst übertragen. Ihr seid schließlich genauso wunderbar!
Wow, das sind eine Menge Stichpunkte geworden, entschuldigt... Aber es ist ja auch ein ganz wertvolles Buch mit vielen super wichtigen Messages, die jeder Betroffene wissen sollte. Es werden auch sehr, sehr viele berührende, mitfühlende und empowernde Worte geteilt - in dem Sinne ist "Frieden mit meiner Haut" wie eine wohlig-warme Decke, die euch in den Arm nimmt. Ich glaube, dass sich die verschiedenen Geschichten gut ergänzen und so jeder Leser irgendetwas mitnehmen können sollte. Dennoch gibt es einen klitzekleinen negativen Punkt, den ich nicht unerwähnt lassen möchte. Denn es gab einen Satz in einer Geschichte, den ich schwierig und sogar deplatziert fand... Dieser Satz war "Lasst euch nicht mehr triggern!" und ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Ich hatte beim Lesen nur Fragezeichen im Kopf und die haben sich bisher noch nicht gelöst. Vor allem, weil im Satz vorher noch anerkennend gesagt wird, dass jeder so seine Triggerpunkte hat. Was hilft es, direkt im Anschluss zu sagen, dass wir uns nicht mehr triggern lassen sollen!? Das ist doch wie der Satz "Hör doch einfach auf!" - sorry, aber wenn das ginge und wir wissen würden, wie wir das machen sollen, dann würden wir es tun. Daher fällt dieser Satz für mich völlig aus dem Rahmen und gehört für mich auch nicht in dieses Buch. Vielleicht verstehe ich das Ganze allerdings auch falsch, dann helft mir gerne.

So, nun zum endgültigen Fazit und der Frage, ob ich "Frieden mit meiner Haut" empfehlen würde! Vielleicht Letzteres zuerst, denn wahrscheinlich könnt ihr euch die Antwort schon denken. Ja, selbstverständlich würde ich das Buch anderen Betroffenen empfehlen! Ich fand die Idee von Ingrid schon von Anfang an so super, dass ich mich die ganze Zeit gefreut habe, bis das Buch erschienen ist. Es kann absolut nicht schaden, wenn wir uns häufiger und mit mehr Nachdruck daran erinnern, dass Heilung möglich ist. Die 11 integrierten Lebens- und Heilungswege zeigen nicht bloß, dass es möglich ist, sondern dass es auch unzählige verschiedene Wege gibt, die zum Ziel führen. Ich glaube, dass ihr euch mit diesem Buch einen wunderbaren Mutmacher und Hoffnungsgeber ins Haus holt. So vieles von dem, was ich anderen Betroffenen auf ihrem Weg gerne mitgeben würde, steckt in diesen 176 Seiten!

Was mich persönlich betrifft, muss ich zugeben, dass mir die Lektüre zwar einige Dinge wieder ins Bewusstsein gerückt hat und dass ich auch immer wieder reflektiert und vieles auf emotionaler Ebene besser verstanden habe, aber dass ich dennoch nicht wirklich brandneue Informationen erhalten habe. Ich merke das in letzter Zeit immer wieder, dass es für mich (im Vergleich zu anderen Betroffenen) wenig(er) Neues gibt. Ich beschäftige mich bald seit einem Jahrzehnt mit Skin Picking allgemein und dem Skin Picking, wie es sich bei mir verhält. Auf die Erkrankung allgemein bezogen habe ich einen solide ausgebauten Wissensschatz und ein sehr gutes Verständnis. Ich kenne Skin Picking einfach, Punkt. Auf mich selbst trifft das weniger zu, denn wie oben in meinen Learnings schon angeklungen ist, weiß ich über mich selbst sehr viel weniger als ich bisher dachte. Meine Kindheit und Jugend, meine Emotionen, Gedanken und Glaubenssätze, meine seelischen Verletzungen und Traumata - die sind für mich oft wie in einem dichten Nebel versteckt. Vieles davon habe ich auch jahrelang verdrängt oder unterdrückt, sodass ich Meister darin geworden bin, meinen Blick in eine andere Richtung zu lenken. Das bringt mich zur Verfestigung einer Erkenntnis, die sich schon seit einiger Zeit anbahnt... undzwar, dass ich glaube, alleine nicht mehr so viel weiter zu kommen, was meinen Heilungsweg mit Skin Picking angeht. Solange mein Leben in einem Zustand wie aktuell bleibt, sowieso nicht. Ich brauche Therapie(n). In einer Therapie warten ganz sicher viele neue Erkenntnisse und die wahre Arbeit, die ich mir bisher erspart habe. Ich muss mit Unterstützung gewisse Themen aufarbeiten, die noch zu viel Einfluss haben. Wenn ich das schaffen würde, hätte ich ein viel größeres Heilungspotential, vermute ich. Das ist das, was ich brauche. Aufklärung und Tools/Strategien/Tipps brauche ich nicht mehr, die sind mir bekannt. Ich vermute, dass mich mein Heilungsweg zu drumherumliegenden Themen führen wird, die eher indirekt mit dem Skin Picking zu tun haben. Darauf bin ich gespannt! Eines fernen Tages....
 
Alles in allem also ein großartiges und empfehlenswertes Buch, welches ich trotz des eben beschriebenen Umstands gerne gelesen habe. Niemals hätte ich auf die Lektüre verzichten wollen.

17. September 2022

Trotz und Überwindung

Ich habe wirklich einige Tage durchgehalten, an denen sehr wenig passiert ist. Bisher konnte ich mich noch nicht in ein vergleichbares Hoch kämpfen wie das, aus welchem ich gekommen bin. Ein wenig hat mich das schon gefuchst, bin ich ehrlich. Aber ich habe versucht, geduldig und nachsichtig mit mir und meiner Haut zu sein. Ich wollte mir vertrauen. Gerade eben gab es einen kleinen Rückfall, aber auch nicht unbegründet (an die Betroffenen unter euch: Denkt ihr auch immer so?)! Schließlich gab es da ein paar Pickel auf meiner Haut, ein paar Stellen, die ich doch nicht einfach in Ruhe vor sich hin vegetieren lassen kann!? In meine Haut habe ich irgendwie kein volles Vertrauen. Die schafft das nicht allein, sieht man ja, sonst würde sie erst gar keine Pickel entstehen lassen. Zurück zum kleinen Fauxpas von heute: Es hat mich geärgert. Gut, ich habe in meinem Leben schon vieeeeel längere und heftigere Drückanfälle gehabt, so ist es nicht. Das war in der Tat ein kleiner Ausrutscher, eigentlich nichts Dramatisches. Aber andererseits hätte es auch echt nicht sein müssen, gestern kam ich doch auch ohne zurecht? Und dann diese Ängste... Die Ängste vor dem Teufelskreis. Dass der Rückfall von heute nur der Start in eine ungewiss lange Talfahrt sein könnte. Wie so oft (eigentlich immer) setzte ein gewisser Trotz ein. Wenn ich abends an meiner Haut drücke und mich nicht vom Spiegel wegkriege, habe ich meistens noch keinen Schritt der Abendroutine erledigt. Ab und zu, in ganz besonders schlimmen Fällen, lasse ich das Zähneputzen dann schonmal ausfallen, um einfach aus dem Bad rauszukommen. Auch eventuelle andere Schritte der Abendroutine fallen dann unter den Tisch, aber meistens aus einem zusätzlichen Grund. Denn wenn ich an meiner Haut gedrückt habe, mich über mich ärgere usw., dann will ich mir oft nichts mehr Gutes tun. Denke mir "Was soll das überhaupt bringen, wenn du deine Haut eben noch fröhlich gedrückt hast?" oder "Ach komm, heute kannst du nicht gut zu dir sein, morgen wieder!". Also Rückfall = erst recht keine Hautpflege hinterher. Irgendwie bescheuert, denn gerade in diesen Momenten hätte meine Haut das doch verdient, oder? Eben habe ich mich überwinden können, doch diesen einen Schritt für meine Hautpflege zu tun. Für sie, für mich. Weil ich beides gleichzeitig (bzw. hintereinander) kann: Meine Haut zerstören und für sie sorgen. Gewissermaßen habe ich aus der Niederlage einen kleinen Erfolg gemacht. Ich bin ein wenig stolz auf mich. Irgendwie bedeutet mir dieser Schritt was. Aus meiner Vergangenheit kenne ich eigentlich nur, dass auf Ausrutscher Trotz folgt, dann noch mehr Ausrutscher usw., sodass ich die Situation nur weiter hochschaukle. Heute nicht. Heute habe ich mich für einen anderen Weg entschieden. Wenn Teenie-Jacqueline das sehen würde...

14. September 2022

Eindrücke meiner Haut - 29

Heute gibt's einfach mal wieder ein paar freshe (oder vielleicht nur halb so freshe, denn die Fotos sind vom 4. September) Hauteindrücke. Meine Haut ist, wie ihr in diesem Post lesen konntet (das ist noch aktuell zurzeit), wieder etwas schlechter als sie lange Zeit im Sommer war. Trotzdem ist sie wesentlich besser als das, was ich die letzten Monate bis Jahre gewohnt war. Ich stehe also gewissermaßen mit einem lachenden und einem weinenden Auge da: Die eine Seite von mir ist etwas betrübt, weil ich mir diese krass gute Haut im August doch so hart erkämpft und sie jeden Tag genossen und geschätzt habe. Die andere Seite erinnert mich daran, dass ich mir sowas wie auf den Fotos bzw. wie jetzt die längste Zeit in meiner jungen Vergangenheit gewünscht hätte. Und mich in Dankbarkeit und Wertschätzung zu üben, ist mir einfach wichtig. Gerade in Zeiten wie jetzt kann das eben sehr herausfordernd sein...
 



10. September 2022

Eine Zeichnung von mir

Hey again!
 
Heute möchte ich euch nur eine kleine Sache zeigen, die allerdings zu großer Freude bei mir geführt hat. Vielleicht ist es euch nicht aufgefallen, aber ich habe hier und da auf meinem Blog erwähnt, dass ich es so cool fände, in Zukunft öfter mal fotografiert oder sogar gezeichnet/gemalt zu werden. Diese Idee hat mich schon seit langer Zeit fasziniert - wie spannend ist bitte die Vorstellung, dass meine Person, mein Aussehen, meine Ausstrahlung von einem Künstler interpretiert werden!? Wie die Augen und die Hände dieses Künstlers mich wohl auf dem fertigen Werk aussehen lassen würden? Und ich kann mich ja sowieso ganz gut für Kunst begeistern - auch, wenn ich dem leider zu selten nachgehe.

Neulich gab es eine überraschende Möglichkeit dazu, von jemandem gezeichnet zu werden und ich habe sie ganz spontan ergriffen. Warum auch nicht? Der liebe Jamie, der mir auf Instagram folgt, hat meine Idee also Wirklichkeit werden lassen. Es hat mich riesig gefreut, von ihm gemalt zu werden und dann auch noch das Original erhalten zu dürfen! :) Das bedeutet mir wirklich was und deshalb möchte ich mich auch hier auf meinem Blog ganz herzlich dafür bedanken!

Natürlich zeige ich euch gleich die Zeichnung, aber ich muss dafür noch ein paar Hinweise geben. Das erste Bild wird ein Scan der Zeichnung sein, jedoch ist hier leider nicht die ganze Zeichnung drauf, weil mein Scanner zu klein ist (oder die Zeichnung zu groß :D). Ansonsten kommt der Scan der Realität am nächsten, weshalb es mir wichtig war, den aufzunehmen. Das zweite Bild wird ein Foto der Zeichnung sein und dient lediglich zu Vollständigkeitszwecken, denn die Perspektive verzerrt leider etwas die Proportionen. Und das dritte Bild zeigt einfach nochmal das Referenzfoto, welches ihr schon kennt.

Gezeichnet von: https://www.instagram.com/justanotherjamie/

Gezeichnet von: https://www.instagram.com/justanotherjamie/


7. September 2022

Online-Artikel hoch 3

Guten Morgen, ihr Lieben!
 
Ich versuche stets so gut es geht, auf dem neuesten Stand zu bleiben, was die öffentliche Repräsentation und die Forschungslage unserer Erkrankung angeht. Dafür google ich relativ regelmäßig die Begriffe "Skin Picking" und "Dermatillomanie", um zu sehen, ob es News wie beispielsweise neue Online-Artikel gibt. Vor wenigen Tagen bin ich dabei auf drei neue Online-Artikel gestoßen, die ich euch nun verlinken möchte. Alle drei stammen aus den letzten zwei Monaten, also Juli und August. Ich finde es toll, dass immer mehr bzw. häufiger über Skin Picking berichtet wird - vor ein paar Jahren war das noch sehr, sehr selten der Fall.

Ich finde, dass der Überblick über die Erkrankung in diesem Artikel ganz gut gelungen ist. Symptome, Folgen, Ursachen (wobei sie eher Trigger als Ursachen nennen), "normales" vs. pathologisches Verhalten, erste Tipps und Behandlungsmöglichkeiten - das sind schonmal einige der wichtigen Themenfelder. Es wird thematisiert, dass die Erkrankung unterschiedliche Ausmaße annehmen kann und sich bei jedem Betroffenen auch individuell verhält - das ist auch super! Alles in allem ein ganz gelungener Beitrag.

Dieser Artikel ist wirklich ganz kurz und knackig, aber die allerwichtigsten Dinge sind auf den Punkt gebracht. Im Kern will der Beitrag aber eigentlich 3 Tipps vorstellen, die auch nicht schlecht sind, jedoch für meinen Geschmack etwas zu kurz greifen. Diese 3 Tipps alleine werden wohl kaum einen chronisch erkrankten Skinpicker heilen, da braucht es wesentlich mehr. Einen Hinweis in die Richtung hätte ich gut gefunden.

Hier finde ich vor allem toll, wie betont wird, dass Skin Picking eine psychische Erkrankung ist und was sie für Leiden für die Betroffenen mitbringt. Es werden verschiedene Einschränkungen und Folgen des Skin Pickings angesprochen, sodass man sicher auch als unbetroffene Personen einen guten ersten Einblick dazu erhält. Auch Behandlungsmöglichkeiten werden aufgezeigt und mit dem Hinweis versehen, dass Skin Picking aufgrund seiner geringen Bekanntheit (von Hautärzten) oft nicht erkannt wird - diese Angabe fehlt leider meistens. Ein kleiner Punkt, den ich aber schade finde: Dass hier die Diagnose nach dem ICD10 vorgestellt wird, obwohl wir inzwischen mit dem ICD11 seit Anfang 2022 eine andere Situation vorliegen haben.

Dennoch bin ich wie gesagt froh, dass mehr Formate, Webseiten & Co. über die Dermatillomanie berichten. Nur so können wir die unterschiedlichsten Zielgruppen erreichen, unter denen ganz sicher auch die ein oder anderen Betroffenen stecken. Es gibt da draußen einfach noch viel zu viele Betroffene, die unwissend an der Erkrankung leiden und sich alleine, komisch und noch viel mehr fühlen. Menschen, die sich selbst die Schuld geben, sich schämen und gleichzeitig nicht verstehen, was mit ihnen los ist. Mir erging es auch einige Zeit so, bevor ich aus Zufall über den Begriff gestolpert bin. Solche Artikel tragen dazu bei, dass es weniger Betroffenen so geht wie beschrieben.

3. September 2022

TV-Beitrag Nr. 3 - Die Drehtage

Hallöchen, ihr Lieben! 

Wenn ihr fleißige und aufmerksame Leser seid, habt ihr mitbekommen, dass dieser Sommer seeeeehr abenteuerlich und bunt war, was meine Öffentlichkeitsarbeit anging. Noch nie gab es so viele verschiedene Erlebnisse in so kurzer Zeit: Der Scham-Workshop in München, ein Besuch bei einer Fortbildung für zukünftige Therapeuten, das Gespräch über Scham für Christinas Podcast, ein Interview für einen Online-Artikel, der Workshop in Köln (über den noch zu berichten sein wird) und kurz darauf der Dreh für einen neuen TV-Beitrag. Um genau diesen soll es innerhalb des heutigen Beitrags gehen, obwohl der zeitlich gesehen erst nach dem Workshop in Köln kam. Ich erzähle euch chronologisch gesehen quasi verkehrt herum von den Ereignissen, aber davon lasst ihr euch sicher nicht stören.

Bevor es losgeht, kann ich euch bei Interesse die Blogposts über die vergangenen beiden TV-Beiträge empfehlen. 2015 und 2018 habe ich ja bereits vor der Kamera von Drehteams gestanden und auch das waren selbstverständlich sehr große und besondere Ereignisse! Irgendwie auch ganz spannend, diese Posts im Vergleich zu betrachten. Auch für diesen TV-Beitrag werde ich zwei Posts verfassen.

Diesmal stand ich dementsprechend zum dritten Mal vor der Kamera einer Produktionsfirma fürs Fernsehen. Trotzdem waren ein paar Umstände anders, denn es wurde im Gegensatz zu den vergangenen Malen nicht für einen kurzen Beitrag einer größeren Sendung gedreht. Dieses Mal bin ich im fertigen Beitrag der Sendereihe eine Person von mehreren, die ihre individuelle Geschichte zu einem größeren Oberthema teilt. Da ich noch nicht weiß, ob ich die Details teilen darf, bleibe ich zu diesem Zeitpunkt noch allgemein. Das Oberthema ist diesmal auch nicht Skin Picking per se, was bedeutet, dass ich in dem Beitrag, der vermutlich ca. 30min umfassen wird, die einzige Person mit Skin Picking sein werde. Weil nicht bloß 4-5min gefüllt werden müssen wie bei den ersten beiden TV-Beiträgen, brauchte es ein paar mehr Drehstationen bzw. Aspekte und Themen, die wir einbringen konnten. Aus dem Grund gab es einen weiteren, für mich neuen Umstand: Wir haben zwei Tage lang gedreht und nicht nur einen. Am ersten Tag, das war Montag, der 22. August, haben wir nur bei mir zuhause gedreht und am Tag drauf haben wir alles gemacht, wofür wir unterwegs sein mussten. Das wiederum führt mich zu einer letzten Neuheit, die ich 2015 und 2018 noch nicht erlebt habe. In den beiden Jahren war ich die einzige Person, die interviewt und gezeigt wurde, wohingegen wir dieses Mal auch zwei Personen aus meinem persönlichen Umfeld integriert haben, sodass Treffen/Zweiergespräche zustandegekommen sind. Die eine Person werdet ihr nachher, wenn wir zu den Fotos kommen, auch sehen und die andere Person lasse ich mal geheim. Bisschen Spannung muss auch sein. :D

Apropos Spannung und Verschwiegenheit: Wenn ich diese Posts über die Drehtage verfasse, werde ich nie über genaue Abläufe oder thematisierte Inhalte sprechen. Damit würde ich einerseits die Überraschung nehmen und mich andererseits wahrscheinlich aufs Glatteis begeben, was meine Rechte und die Rechte der Produktionsfirma sowie des Senders betrifft. Ich kenne mich da zwar nicht genau aus, bleibe aber lieber vorsichtig, um auf der sicheren Seite zu sein.

Weil ich beim ersten Mal aber ein wenig über den Hergang erzählt habe, mache ich das heute auch, vielleicht ist es ja interessant. Der Kontakt an sich ist nämlich schon ziemlich alt. Es ist folgendermaßen: Ich stehe ab und zu mal mit Redakteurinnen oder Produktionsfirmen in Kontakt, die für einen Beitrag anfragen, wo es am Ende aber nicht klappt oder alles im Sand verläuft. Meistens bin ich daher auch ziemlich vorsichtig mit meiner Freude und erzähle erst sehr spät - idealerweise, wenn alles in trockenen Tüchern ist - von diesen Projekten. Auch hier war das im Grunde so ein Fall, denn der ursprüngliche und erste Kontakt war bereits im Dezember 2020 bis Januar 2021 über eine andere Redakteurin. Aus dieser Sache wurde nichts, sie behielt meinen Kontakt aber, falls sich mal über andere Wege was ergeben sollte. Ich glaubte nicht dran, dass da jemals wieder was kommen würde, aber siehe da... im Mai diesen Jahres rief die Redakteurin mich nochmal an. Sie erzählte mir, sie arbeitet inzwischen woanders und es würde um ein ganz anderes Projekt gehen, wo sich auch die Zuständigkeit ändern würde, sodass sie eigentlich nur die Kontaktvermittlerin ist. Lange Rede, kurzer Sinn: Aus dieser Sache wurde was! Im Juni konkretisierte sich das Ganze langsam, aber schon Anfang Juli zeigte sich, dass ich bis Ende August nie und nimmer zwei Drehtage unterbringen kann. Leute, es war einfach zu viel los! :D

So viel zum Hergang der Geschichte. Nun wieder zum 22. August, dem ersten Drehtag. Ein wenig Aufregung gibt es bei mir kurz vorher bzw. zu Beginn von größeren Ereignissen immer - so auch diesmal. Doch das Auftauen dauert nie lang, denn die Drehtams sind immer super freundlich, lustig und geduldig. Da habe ich auch beim dritten Mal eine super angenehme Erfahrung machen dürfen, was ich echt cool finde! Ich kann nur sagen, dass ich über die beiden Tage hinweg immer wieder vergessen habe, dass wir überhaupt gerade drehen. Die Kamera, das Mikro, den ganzen Aufzug insgesamt - habe ich ganz gut ausblenden können. Damit will ich nicht sagen, dass die Situationen und Gespräche genauso gewesen sind wie ich sie mit einer guten Freundin (und ohne Kamera) führen würde, aber es ist definitiv nicht unangenehm oder komisch. Man gewöhnt sich erstaunlich schnell dran! Der erste Tag war auch noch gar nicht groß anstrengend für mich. Klar, hinterher ärgert man sich immer ein wenig, weil man denkt "xy hätte ich noch sagen können" oder "xy hätte ich lieber anders gesagt". Aber ich denke, dass es schon gut so gewesen sein wird, wie es war und dass mein innerer Kritiker auch mal ruhig sein darf. Wir waren am Montag nach 4 Stunden Dreh bereits durch, sodass ich den Nachmittag zur freien Verfügung für mich selbst hatte. Am Dienstag, den 23. August ging es wieder morgens los und zog sich durch die verschiedenen Orte, die Fahrerei, die Mittagspause etc. bis ungefähr 18 Uhr, wenn ich mich nicht irre. Das war schon anstrengender, da war ich am Ende des Tages dann auch ziemlich platt. Aber es war trotzdem ein genauso schöner Tag - auch, wenn er ganz anders war, was die Settings, die Struktur, die Atmosphäre usw. betrifft. Wo ich damals bei den ersten beiden TV-Beiträgen vielleicht noch eher wahrgenommen habe, wie die Menschen um mich herum an öffentlichen Plätzen reagiert haben, habe ich das dieses Mal überhaupt nicht beachtet. Da merke ich aus der heutigen Perspektive definitiv einen Unterschied! Es hat sich beinahe "normal" und "alltäglich" angefühlt, mit einem Drehteam im Schlepptau irgendwo zu stehen oder entlangzugehen. Obwohl ich meine Rolle selbstverständlich sehr ernst genommen habe, sind die Grenzen zwischen "jetzt stehe ich vor der Kamera, alles ist aufgebaut und ich rede" zu "jetzt machen wir vielleicht privat ein Späßchen" stärker verschwommen als ich es bisher kannte. Das ist für mich ein gutes Zeichen gewesen! Was für mich am zweiten Drehtag aber am spannendsten war, waren die beiden Treffen. Ich war soooo neugierig, wie sich diese beiden Menschen so vor der Kamera schlagen und wie sie sich fühlen. Außerdem war es ja auch für mich neu, nicht die einzige Person zu sein, die vor der Kamera steht und einfach drauf los redet. In einem Gespräch mit einer zweiten interviewten Person ergibt sich ja eine ganz andere Dynamik und es liegt nicht mehr nur alles in meiner Verantwortung. Aber beide Zweiergespräche haben reibungslos geklappt und sowohl mir, als auch den beiden involvierten Menschen Spaß gemacht.

Tja, ich könnte jetzt noch länger darüber schreiben, aber ich denke, dass das Wichtigste und Interessanteste gesagt ist. Alles in allem kann ich zusammenfassen: Es waren sehr gelungene Drehtage, die für mich ein weiteres Highlight in meiner Öffentlichkeitsarbeit darstellen! Wir hatten bestes Wetter, haben tolle Locations ausgesucht, konnten schöne Bild- und Videoaufnahmen machen, haben einen guten thematischen Überblick kreiert, das Drehteam war super lieb und damit erste Sahne, ich habe mich wohl und gut begleitet gefühlt und eben auch wieder neue Perspektiven eingenommen sowie Neues über mich selbst und das Skin Picking gelernt. Besser geht's nicht, oder? Und ich bin extrem gespannt darauf, was im Schnitt aus den Rohaufnahmen gemacht wird und wie sich der Beitrag in seiner endgültigen Form gestalten wird.
 
Leider wird es bis zur Veröffentlichung noch ein wenig dauern, es wird vermutlich im Herbst soweit sein. Aber die Zeit rennt ja sowieso und ich werde euch schon dran erinnern, verpassen könnt ihr es also nicht. Bis dahin kann ich euch anhand der Bilder vielleicht einen netten Vorgeschmack liefern:
 
Foto von Daniel Ritter

Foto von Daniel Ritter

Foto von Daniel Ritter

Foto von Daniel Ritter

Foto von Daniel Ritter

Foto von Daniel Ritter

Aus der Mittagspause am 23.8: Bestes Mittag seit Langem, das Restaurant merke ich mir!

Mit meiner Schwester bei unserem Treffen im Dreh.

Ich, ziemlich fertig, am Ende des zweiten Drehtags. Darauf erstmal ne Cola!
 
Ich hoffe, ich konnte euch ein paar interessante Einblicke geben und ihr freut euch mit mir über diese großartige Chance! Lasst uns bis zur Veröffentlichung in Vorfreude schwelgen. Auf dass der Beitrag auch nur eine Person auf die Erkrankung Skin Picking aufmerksam machen wird!

Wenn ihr noch Fragen habt, kontaktiert mich gerne. Ganz viel Liebe an euch und bis bald!