31. Oktober 2019

Sucht nach glatter Haut

'N Abend!

Ach man... Wie oft denke ich derzeit darüber nach, einen Post über meine Gefühle und Gedanken zu schreiben und wie oft fange ich diesen Post vielleicht auch an, beende ihn dann aber wieder, weil ich fälschlicherweise glaube, meine negativen Emotionen und Schwächen hätten hier weniger Berechtigung als die positiven Emotionen und Erfolgserlebnisse!? Momentan hört ihr wenig von mir, ich finde schlicht und ergreifend nicht mehr richtig in's regelmäßige Schreiben hinein. Es ärgert mich, dass ich immer und immer wieder an die gleichen, altbekannten Punkte im Teufelskreis gelange, die mich glauben lassen, ich hätte nichts Neues zu erzählen. Dabei geht es manchmal auch einfach nur darum, dass ich Leidensgenosse für diejenigen unter euch bin, die in der gleichen Situation stecken und sich weniger allein fühlen wollen.

Also ja: Mir geht es aktuell nicht sonderlich gut, heute war z.B. ein ganz schlimmer Tag. Meine Haut sieht noch schlimmer aus als beim vorletzten Post (hier) - sie ist überall entzündet, stark gereizt und geziert von vielen Wunden. Ich drücke und drücke und drücke und drücke und drücke... Und habe so die Schnauze voll von dem Scheiß. Echt! Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Einmal drin im tiefen Loch, komme ich unmöglich raus, weil ich all die Krusten nicht ihre Arbeit machen lassen kann, sondern sie ständig abkratzen muss. Ebenmäßig muss meine Haut sein, sie darf keine Fehler haben. Glatte Haut ist schöne Haut. Aber so komme ich nicht weiter, so schaufle ich mir nur selbst mein Grab. Warum erkenne ich das nicht? Seit vielen Tagen, wenn nicht sogar Wochen, tue ich mich wieder äußerst schwer mit der Selbstliebe und dem Wohlfühlen im eigenen Körper. Ich mag mich gegenwärtig nicht. Das geht sogar soweit, dass ich heule, weil ich nicht so aussehen will oder dass ich mich nicht mehr gerne im Spiegel ansehe, sondern mein Spiegelbild vermeide. Außer natürlich dann, wenn ich meine Haut, mit der Nasenspitze den Spiegel berührend, stundenlang nach Unebenheiten abscanne. Verrückt.

Das war ein kurzer Einblick in mein Gedankenchaos von heute. Danke für's Lesen!

17. Oktober 2019

Gastpost - Part 10

Guten Abend!

Es ist der zehnte Teil dieser schönen, interaktiven Postserie! 10 Monate warten müssen wir dieses Mal aber nicht nach dem letzten Part. Dennoch ist mir auch dieser Beitrag vor etwas über einem Jahr zugesendet worden, sodass das Alter nicht mehr aktuell ist. Entschuldigt die Verspätung, das geht auf meine Kappe.

Ansonsten kennt ihr das Prozedere: Wer noch neu auf meinem Blog ist und sich dafür interessiert, was das genau für eine Postserie ist, der mag gerne in den ersten Teil reinlesen, dort ist erläutert, wie es zu der Idee kam und was das Besondere daran sein soll. Alle Teile auf einem Haufen findet ihr hier. Es lohnt sich, die Stimmen anderer Betroffener anzuhören!

Und wie immer vorher noch der Aufruf:
Nun möchte ich euch als Betroffene ganz direkt ansprechen: Ihr habt niemanden zum Reden, möchtet aber trotzdem mal euer Herz ausschütten oder Frust rauslassen? Ihr traut euch nicht, selbst an die Öffentlichkeit zu gehen, möchtet aber dennoch, dass eure Geschichte von Menschen gelesen wird? Ihr habt ein paar tolle Tricks und Tipps oder einfach nur liebe Worte für Leidensgenossen, die ihr loswerden wollt? Ein eigener Blog wäre euch zu viel Arbeit, aber einen kleinen Post würdet ihr gerne verfassen? Dann meldet euch gerne bei mir! Schreibt mir eine E-Mail mit dem Betreff "Gastpost" an folgende Adresse: dermatillomanie-blog@web.de. Selbstverständlich dürft ihr auch Bilder mitsenden, wenn ihr das wollt. Ihr könnt dabei entweder von Anfang an namenslos bleiben oder mich darum bitten, euch zu anonymisieren. Ich werde euren Text dann unverändert innerhalb dieser Postserie veröffentlichen, sodass ihr selbst eventuelle Kommentare Anderer dazu lesen könnt.


"Hallo zusammen,

ich fange mal ganz klassisch mit einer kurzen Vorstellung an. Ich bin weiblich und 19 Jahre alt. Unter Skin Picking leide ich seit ungefähr vier oder fünf Jahren. An die erste Zeit habe ich kaum noch Erinnerungen. Rückblickend kann ich mich weder an einen Auslöser erinnern, noch daran, wie ich herausfand, dass mein Verhalten die Bezeichnung 'Dermatillomanie' hat und es sich dabei um eine psychische Erkrankung handelt. Ich habe zunächst nur an den Beinen geknibbelt, doch schon bald kamen die Arme und das Gesicht dazu.
Mein Skin-Picking-Verhalten kann mal wohl als klassisch oder typisch bezeichnen: Ich stehe abends beim Abschminken im Badezimmer, betrachte mein Gesicht im Spiegel und fange an, die Unreinheiten auszudrücken. Ich gerate in einen Zustand, in dem ich einen Kontrollverlust erfahre, in dem ich meine Handlungen nicht stoppen kann und jegliches Zeitgefühl verliere. So kommt es nicht selten vor, dass ich eine Stunde nur mit dem Aufkratzen meiner Haut beschäftigt bin. Danach stellt sich sehr schnell das Gefühl des Versagens ein und abwertende Gedanken halten mich Stunden wach.
Eine weitere sehr präsente Emotion ist das Schamgefühl. Lange Zeit habe ich keine kurzen Kleidungsstücke getragen, vermied Schwimmbäder und ging nur noch geschminkt vor die Tür. Ich hatte Angst, dass jemand die verletzte Haut sehen könnte, mich darauf anspricht und mich verurteilt. Ich habe weder meinen Eltern, noch Freunden von meiner Krankheit erzählt und fühlte mich sehr alleine mit meiner Situation. Auch intime Beziehungen kamen für mich nicht infrage. Ich kam an einen Punkt, an dem ich mir eingestehen musste, dass ich es alleine und ohne Hilfe nicht mehr schaffen würde.
Ich habe mit meinen Eltern geredet und suchte mir professionelle Hilfe bei einem Psychotherapeuten. Ich weiß noch, wie viel Angst ich hatte und wie viel Überwindung es gekostet hat, im Nachhinein gesehen total übertrieben. Meine Psychotherapie, genauer gesagt die Kognitive Verhaltenstherapie, ist zwar gerade erst angefangen, aber ich habe schon viel gelernt, beispielsweise über das Störungsmodell, und so verstehe ich die Krankheit nun besser. Ich weiß jetzt, dass man Skin Picking als Verhalten erlernt hat und dass man es sozusagen auch wieder „verlernen“ kann. Außerdem habe ich gelernt, mich nicht mehr als „unnormal“ zu sehen, sondern die Störung zu akzeptieren und mich dadurch nicht mehr einschränken zu lassen. Ich trage wieder kurze Kleidung, gehe schwimmen und rede mit Freunde offen über Skin Picking, die mich wirklich sehr unterstützen.
Abschließend kann ich euch nur einen Ratschlag geben: Redet mit einer vertrauten Person und/oder sucht euch professionelle Hilfe. Es ist keine Schande, sich Unterstützung zu suchen, ganz im Gegenteil, es zeugt von viel Stärke. Denn leider sind psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft ja immer noch ein Tabuthema und werden negativ konnotiert.

Ich wünsche Euch alles Gute! No Name"

15. Oktober 2019

Skin on fire

Ich will gar nichts groß sagen eigentlich... Bin es ein wenig satt und schäme mich auch - gerade nach meinem letzten Post. Aber es ist die echte und ungeschönte Wahrheit, ganz egal, wie sehr sie mir zuwider ist. Seht selbst und denkt euch euren Teil.



Wieso, weshalb, warum? Mir egal, ich will nicht drüber nachdenken, wirklich. Lass mich einfach in Ruhe, scheiß Skin Picking. Bitte.

4. Oktober 2019

Motivation, die unter die Haut geht

Einen schönen guten Abend!

Ich freue mich schon seit so langer Zeit, endlich diesen Beitrag für euch schreiben zu können, das glaubt ihr gar nicht! Gefühlt habe ich viel zu lange keinen wirklich persönlichen und langen Post mehr geschrieben, der so richtig von innen kommt. In letzter Zeit war viel dabei, was für mich eher "unpersönlich" und "oberflächlich" ist oder aber nicht von mir selbst kam. Mit dem folgenden Inhalt habe ich das Gefühl, euch wieder etwas von mir zu zeigen.

Kurz zur Vorgeschichte: Tattoos waren auf meinem Blog nie groß Thema, aber einmal habe ich zumindest durchklingen lassen, dass ich gerne welche haben möchte. Das war in meinem Beitrag "Diagnose: Physikalische Nesselsucht" von 2015. Wegen meiner Hautreaktionen, die die Nesselsucht bei Druck, Reibung und Kratzen auslöst (genauer hier nachzusehen), dachte ich, dass Tattoos für mich nicht infrage kämen und habe das Ganze erstmal abgetan. Darüber war ich deshalb traurig, weil ich irgendwie schon immer Tattoos haben wollte. Jahrelang habe ich mich dann erstmal nicht mehr damit beschäftigt - bis diesen Sommer. Da beschloss ich recht spontan, dass ich mich dem Schicksal nicht ohne einen Test hingeben möchte. Mir geisterten nämlich seit Wochen Ideen für ein ganz bestimmtes, größeres Tattoo im Zusammenhang mit dem Skin Picking im Kopf herum und es bedrückte mich, dass es unklar ist, ob die Umsetzung dessen möglich ist oder nicht. Deshalb überlegte ich mir ein ganz kleines Motiv, was für mich eine schöne Bedeutung hat und freundete mich zuerst eine Weile damit an, bis ich zu einem Walk In Day ging, wo ich die Nesselsucht selbstverständlich im Vorhinein erwähnte. Und siehe da: Es funktionierte! Meine Haut hat erstaunlich wenig reagiert, sie ist kaum angeschwollen und wurde nur ein wenig rot. Der Tätowierer wies mich einerseits auf seine vorsichtige Arbeitsweise und andererseits natürlich darauf hin, dass ich das bei jedem Tätowierer neu ansprechen muss, weil die Reaktion auf viele Faktoren, wie beispielsweise das Motiv, die Stelle und meine Verfassung ankommt.

Daraufhin habe ich mich mit einem anderen Tätowierer in Verbindung gesetzt, der mir mein großes Dermatillomanie-Tattoo stechen sollte. Das Tattoo wurde mein diesjähriges Geburtstagsgeschenk von meinem Vater, meiner Schwester und meinem Freund. Ich hätte mir nichts Besseres wünschen können! Auch hier wieder keinerlei Nesselsuchtreaktionen, das flasht mich bis heute. Aber ich zeige euch erstmal, wovon wir hier sprechen, bevor es weitergeht:

Frisch tätowiert und eingecremt

Frisch tätowiert und eingecremt

Heute, nach zweieinhalb Wochen Heilung

Erkennt ihr schon, was es darstellen soll? Wenn ja, habt ihr ein gutes Auge und kennt euch aus! Wenn nein, ist das auch nicht schlimm. Es ist absichtlich eine etwas versteckte Darstellung und ich werde sie euch erklären. Es handelt sich um eine ausgestaltete Version des bekannten Semikolon-Tattoos. Dazu gehört oft der Satz "Your story isn't over yet". Das Tattoo geht zurück auf das Project Semicolon, welches allen Menschen mit psychischen Krankheiten, Depressionen, Ängsten, Suizidgedanken, SvV, Gewalterfahrungen, Selbsthass usw. gedenken möchte und ist Symbol für den selbstbestimmten Verlauf des Lebens. Dazu gehört diese Erklärung: "Ein Semikolon wird dann verwendet, wenn ein Autor einen Satz hätte beenden können, sich aber dazu entschieden hat, es nicht zu tun. Du bist der Autor und der Satz ist dein Leben." Soweit zur Bedeutung des Semikolons, die für mich zwar auch gilt, aber nicht alleine. Zusätzlich zu dieser allgemeinen Bedeutung beziehe ich mein Semikolon auch auf das Skin Picking und mein Leben damit. Dass ich meinen Kampf gegen die Dermatillomanie nie von mir aus beenden werde (ehe ich es geschafft habe) und dass es immer ein "Danach" gibt. Wenn ich mal frei vom Skin Picking bin, soll es mir zeigen, dass ich es geschafft habe und sich das Kämpfen gelohnt hat. Entgegen der geläufigen Semikolon-Tattoos trage ich mein Motiv nicht an einer leicht einsehbaren Stelle, sondern am Rücken. Das hat den Grund, dass ich es nicht immer sehen brauche. Ich weiß intuitiv um seine Bedeutung, in meinem Inneren ist sie verankert. Daher wurde es diese Stelle, weil es mir eher unbewusst den Rücken stärken und mich auch dann begleiten soll, wenn ich nicht aktiv daran denke.

Wie ihr vielleicht bemerkt habt, besteht der obere Teil aus einer Lotusblüte. Die Bedeutung von Lotusblumen gefällt mir sehr, darum habe ich mich mit Bedacht für dieses Motiv entschieden. Der Lotus ist die Blume des Lebens und vereint sehr viele Bedeutungen, die vom jeweiligen Kontext abhängen. Was mir zusagt und was ich gewissermaßen auf mich und mein Skin Picking beziehe, möchte ich ebenso mit euch teilen. Die Lotusblüte ist unter Anderem Symbol für den Neuanfang und für Wandlung, für innere Schönheit und Vollkommenheit, für Verbundenheit und Einklang sowie für Treue, Liebe, Harmonie, Ausdauer und Reinheit des Herzens. Der Lotus verhilft zu geistiger Klarheit und innerem Wachstum und ist ein Glücksbringer, der das Bewusstsein stärken soll. Ihr seht schon: Dieses Tattoo ist förmlich aufgeladen mit Bedeutungen und für mich von großer Wichtigkeit.


Ich hatte das Gefühl, so eine ganz besondere und große Motivation zu brauchen. Jetzt hab ich sie, für immer unter meiner Haut. Momentan versuche ich stark, mich jeden Tag an diese Tätowierung und ihre Bedeutung zu erinnern. Falls ich mal keine Gründe sehen sollte, weiterzumachen, muss ich mich nur entsinnen, was auf meinem Rücken verewigt ist. Dort trage ich ab jetzt 24/7 einen Grund dafür, nicht aufzugeben.

Falls ihr mehr über die genauen Erfahrungen hinsichtlich Schmerzen beim Stechen und hinsichtlich des Verheilungsprozesses (als Skinpicker) wissen wollt, gebt mir Bescheid. Das hier wird nicht mein letztes Tattoo sein und wer weiß, vielleicht habe ich irgendwann noch mehr Erfahrung und mache euch einen ausführlichen Post darüber, wie es für einen Skinpicker mit Tattoos ist.

Bis dahin! Danke für's Lesen und ein schönes Wochenende, ihr Lieben!