Hallöchen! :)
In letzter Zeit gab es durch die drei Beiträge über die BFRB-Tage (29.09-01.10 in Köln) immens viel zu lesen und das trotz visueller Eindrücke in den Texten. Heute gibt es im Verhältnis wieder sehr viel mehr Fotos, denn ich möchte euch endlich die Ergebnisse eines kreativen Projekts zeigen, welches ich im April relativ spontan durchgeführt habe. Die Bearbeitung der Bilder ließ wegen meiner Masterarbeit lange auf sich warten und auf der Konferenz habe ich einen Teil der Ergebnisse erstmals öffentlich gezeigt. Nun seid auch ihr dran. Denn ich mag die Bilder sehr - sie sind total ausdrucksstark geworden, wie ich finde. Nachdem ich euch die Fotos gezeigt habe, teile ich euch am Ende des Beitrags natürlich meine Gedanken zu dem Projekt mit. Auch, wenn es manchmal gar nicht so leicht ist, Bildliches in Worte zu transformieren. Denn für mich hat der kreative Zugang unter anderem den Vorteil, dass er mehr ausdrücken kann als gesprochene/geschriebene Sprache. Ein fertiges Kunstwerk kann meine Gedanken manchmal so viel besser auf den Punkt bringen als ich es mit Worten jemals könnte.
"Schmerz und Drang", meine aktuellste künstlerisch-kreative Auseinandersetzung mit Skin Picking:
Entschuldigt den kleinen Spam, ich konnte mich halt auch nicht zwischen farbig und s/w entscheiden, hat beides was. :D
Jedenfalls hoffe ich sehr, dass die Aufnahmen etwas in euch angeregt haben. Was fühlt ihr beim Anblick? Was assoziiert ihr mit dem, was ihr seht? Wie würdet ihr das Ganze interpretieren? Ich wäre soooo gespannt, eure Gedanken dazu zu hören! Nutzt also gerne den Kommentarbereich, wie neulich angekündigt geht das jetzt auch völlig anonym und ohne Google-Account! Ich würde mich freuen, wenn wir diesen Blog in Zukunft wieder einen Hauch interaktiver gestalten könnten.
Nun aber meine Idee hinter diesem Projekt. Erstmal hatte ich einfach Bock auf etwas mit starken Kontrasten und viel schwarz, so leicht düster/creepy eben. Mag die Ästhetik davon gerne! Und dann hatte ich kurz zuvor etwas mit solchen Stecknadeln/Reißnägeln auf Instagram gesehen und wusste, dass ich daraus meine eigene Interpretation gestalten möchte. Denn diese Reißnägel gingen irgendwie mit mir in Resonanz. Vor meinem geistigen Auge formte sich ein Bild von meiner eigenen Interpretation, die ausdrückte, wie sich Skin Picking und diese Stellen für mich manchmal anfühlen. Einfach nur wie ein an vielen Stellen stechender Schmerz, insbesondere bei Berührung, aber auch beim puren Anblick. Sichtbare Spuren auf meiner Haut, die meine Schwächemomente markieren. Und obwohl ich ja weiß, dass ich es mit dem Hautbearbeiten nicht besser mache, glaubt ein Teil von mir, ich würde den Schmerz vielleicht mit Schmerz bekämpfen können? Nur raus aus der Haut damit. Ich muss da unbedingt nachhelfen, denn alleine kann meine Haut das ja nicht. Die sanfte Tour hat noch nie funktioniert. Jedes bisschen Entzündung oder Unebenheit muss weg. Ironischerweise bleibt man am Ende mit noch mehr Schmerz, noch mehr Drang und noch mehr Hautstellen zurück. Perfektion als Ziel gehabt, das Gegenteil davon erreicht, prima. So ungefähr.
Außerdem zeigen die Bilder drei "Phasen" des Skin Pickings bzw. des Drangs. Das ist mir allerdings erst in der Bearbeitung im Nachhinein aufgefallen, das war nicht von Beginn an intendiert. Die ersten drei Fotos zeigen mich, wie ich wegschaue; wie ich auch versuche, den Drang zum Skin Picking zu ignorieren. "Nein, du musst das nicht wegmachen", "Du kannst dich zusammenreißen" (alleine diese Formulierung, oder?), "Lass mich in Ruhe, Drang" und Ähnliches geht mir dabei durch den Kopf. Doch früher oder später schaue ich sowieso hin, das zeigen die nächsten drei Fotos, wo ich in die Kamera schaue. Die Konfrontation mit der Haut und den vermeintlich auffälligen Stellen ist unumgänglich. Sie drängen sich auf, wollen beachtet werden. Wie die letzten drei Fotos zeigen, berühre ich die Stellen dann auch mit meinen Händen. Sie schmerzen, pochen, jucken... Sie schreien förmlich. Und sie stören mich, ich weiß, dass ich sie entfernen muss. Egal, wie sehr es wehtut und eventuell sogar blutet. Natürlich füge ich meiner Haut Verletzungen zu, das ist mir rational gesehen durchaus bewusst. Emotional gesehen bin ich dem Drang jedoch längst verfallen - ich bin dabei, in den starken Sog des Teufelskreises gezogen zu werden. Sobald die erste Stelle bearbeitet ist, gibt es kein Halten mehr. Gefühlte Sekunden später wache ich aus der Trance auf und mein Gesicht sieht aus wie von Reißnägeln besetzt, es brennt wie Feuer und eine Lawine an negativen Emotionen überkommt mich. Trotzdem bin ich mir darüber im Klaren, dass ich schon bald wieder an dem Punkt stehen werde, wo ich kurz zuvor stand: Phase 1. Der fast zum Scheitern verurteilte Versuch, den Drang zu ignorieren. Vielleicht ist es gar nicht die Lösung, ihn zu ignorieren? Vielleicht soll ich ihn anschauen statt meine Haut und mich mit dem auseinandersetzen, was hinter dem Drang liegt?
Soweit meine ursprünglichen Gedanken dazu. Als ich im April ein kleines Boomerang vom Tag des Projekts in meiner Instagram-Story geteilt habe, durfte ich allerdings auch schon den ein oder anderen Austausch in meinen DMs führen. Ein paar dieser Betroffenen wiesen mich darauf hin, dass man es auch so verstehen könnte, dass die Nadeln jegliche Berührungen der Haut verhindern. Seien es manipulative Berührungen durch Skin Picking oder zärtlich gemeinte Berührungen aus Zuwendung. Sie halten quasi alles komplett ungefiltert auf Abstand. Auch ein spannender Ansatz! Es gibt dazu sicher - wie immer eigentlich - dutzende mögliche Interpretationen und Perspektiven.