25. Januar 2021

Fazit zu Instagram

'N Abend.
 
Ich bin jetzt fast einen Monat aktiv auf Instagram unterwegs und da könnte ich ja vielleicht ein erstes Fazit ziehen. Zumindest ein paar Punkte möchte ich ansprechen.

Bisher macht es mir insgesamt Spaß, die App zu nutzen. Ich hab das Gefühl, mit meinen eigenen Posts ganz anders Menschen erreichen zu können - undzwar viel visueller und direkter. Dafür muss aber auch die Intensität der Auseinandersetzung etwas einbußen, denn für so lange Texte wie hier auf dem Blog ist dort kein Platz. :D Die Aufmerksamkeitsspanne ist grundsätzlich relativ gering auf solchen Plattformen wie Instagram. Dem steht jedoch ein weiterer, großer Vorteil entgegen: Die Möglichkeit zur Vernetzung sowie zum Austausch, weil die Beiträge viel leichter entdeckt und geteilt werden können. Es ist viel einfacher, auf meinen Instagramaccount zu stoßen und darauf zu reagieren als auf meinen Blog, schätze ich. Dafür ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass quasi jeder Hans und Franz bei mir landet, der zum Thema psychische Gesundheit generell oder gar zum Skin Picking keinerlei Verbindung hat. Das kann sowohl Chancen, als auch Risiken bergen. Bisher habe ich glücklicherweise noch keinerlei negative Reaktionen erhalten und ich würde das auf meinem Account auch nicht tolerieren, sobald es unsachlich wird. Was ich im Sinne der positiven Punkte besonders herausheben möchte: Es gibt zum Thema Akne, Acne-/Skinpositivity und Ähnlichem eine ganz tolle und inspirierende Community, die gar nicht mal klein ist! Das ist auch für mich neu, so viele Menschen zu sehen, die ihre echte Haut und ihre Hautprobleme offen zeigen und damit diesem Ideal der ach so perfekten, sowieso überarbeiteten Haut auf Fotos in den sozialen Medien entgegenwirken wollen. Ganz stark! Das feiere ich total und verfolge ich auch gerne.


Warum ist das für mich so neu und erfrischend? Weil ich das aus meinem direkten Umfeld und besonders aus der Zeit, in der ich aufgewachsen bin, gar nicht kenne. Ich war immer (fast) die Einzige mit derartigen Hautproblemen und ebenso bei psychischen Problemen. Auch das jahrelange Mobbing, welches mich durch meine Schulkarriere begleitete, bezog sich oft genug auf meine Haut und meinen Umgang mit Schminke etc.. Klar, je älter ich wurde, desto eher lernte ich hier und da auch Menschen kennen, denen es auf die ein oder andere Weise genauso ging/geht wie mir und mit denen ich endlich ehrlichen Austausch betreiben konnte, aber das geschah in der Regel eher über's Internet. Mh, aber wer weiß, vielleicht ist das auch nur ein verfälschter Eindruck? Nicht selten wird man im Prozess des Erwachsenwerdens reifer und sensibler, was auch solche Themen angeht. Eins weiß ich unabhängig davon sowieso: Heutzutage habe ich die richtigen Menschen in meinem Leben und das ist mir auch wichtig! Ich schätze es, wenn die gleichen Werte vertreten werden und ich mich drauf verlassen kann, dass hinter mir gestanden wird.

Ich hoffe, dass auch ihr die richtigen Menschen in eurem Umfeld habt und wenn nicht, dann habt den Mut, die Verbindungen zu kappen. Umgebt euch mehr mit den Personen, die euch guttun! Wenn ihr auf Social Media unterwegs seid, folgt solchen schonungslos ehrlichen und mutgebenden Accounts!

Ansonsten wünsche ich euch einen guten Start in die neue Woche!

19. Januar 2021

Innerer Frieden und Stärke

Das strahlen diese Fotos, die ich für meinen Blog und auch für den Instagramaccount gemacht habe, für mich aus. Wollte sie nur nochmal in diesem Rahmen mit euch teilen. :) Ich fühle mich schön auf den Bildern und das, obwohl ich keinerlei Schminke trage und man die Folgen des Skin Pickings gut erkennen kann. Das ist nicht selbstverständlich für mich!
 




16. Januar 2021

Simpel, aber effizient

Tach.
 
Ich hatte euch zuletzt in dem Post "Corona-Beichte" ausführlich darüber berichtet, welche unschönen Ausmaße das Skin Picking bei mir angenommen hat und wie sehr es meinen Alltag einschränkte. Ich saß irgendwie fest in diesem Teufelskreis, sah keinen Ausweg und wusste mir nicht zu helfen. Und dann habe ich eine Maßnahme ergriffen (die ich übrigens nicht das erste Mal umgesetzt habe) - eigentlich mehr aus Hilflosigkeit als aus Hoffnung oder Ähnlichem.

Ich habe meinen Spiegel im Bad verdeckt! Dieses Mal sogar mit hübschem Motiv. :)

Diese Maßnahme war natürlich denkbar einfach, erwies sich aber als sehr effektiv. Ich muss dazu sagen, dass die Zettel nur oben angeklebt sind, damit ich für die Dinge, wo ich einen Spiegel brauche, noch was sehen kann, wenn ich die Zettel anhebe. Doch mit beiden Händen drücken ist da nicht wirklich und so verringerten sich meine Episoden vor dem Spiegel drastisch. Ich brauchte endlich mal wieder keine 5min, bevor ich wirklich in die Dusche steigen konnte! Ich habe nach dem Duschen nicht mehr gedrückt! Ich konnte "einfach nur" schnell auf Toilette gehen wie geplant und anschließend ohne rotes und angeschwollenes Gesicht wieder aus dem Bad kommen. Meine Abendroutine verkürzte sich ebenso und das war besonders erfreulich. Plötzlich stieg der Grad der Einschränkung durch das Skin Picking wieder auf das Maß, wie ich es kenne. Nach etwas über einer Woche konnte man erste Veränderungen meiner Haut erkennen.

Doch es kam, wie es kommen musste. Ich musste bzw. wollte mich vergangenen Mittwoch und Freitag schminken und dafür nahm ich die Zettel ab. In den drei Tagen, wo ich wieder frei in den Spiegel schauen konnte, habe ich schlimme Rückfälle erlitten. Als würden diese Fesseln wieder ungehindert an mich herankommen und mich an den Spiegel ketten. Heute ist Samstag und die Zettel sind wieder angeklebt. So geht das nicht, ich lasse mir das nicht gefallen! Falls ich mich demnächst wieder schminken muss oder will, dann sollte ich eine andere Möglichkeit dafür finden.

Und achso, die beiden kleineren Zettel, die ja schon eine Weile länger hängen, haben durch das Abdecken des Spiegels auch wieder ein bisschen mehr an Präsenz gewonnen. Aber so richtig effizient sind sie leider schon lange nicht mehr... Dafür gebe ich aber mir selbst die Schuld. Ich weiß ja Folgendes sehr gut: Ich besitze seit Monaten nicht das Maß an Aufmerksamkeit, Bewusstsein, Motivation, Kraft und Disziplin, was nötig wäre, um dem Skin Picking wirklich die Stirn zu bieten. Ein anderes Mal...

7. Januar 2021

Derma Self Love Club - 11

Hey, ihr Lieben!
 
Wisst ihr, wer sich immer wieder neu mit seinem Skin Picking auseinandersetzt? Wer sich immer wieder neue Gedanken dazu macht und neue Methoden entwickelt, um der Krankheit zu begegnen? Und wer meiner Meinung nach so oft wahnsinnig wertvolle Dinge zu sagen hat? Janika! Sie erzählt euch innerhalb dieser Postserie ganz offen von ihrer eigenen Geschichte mit der Dermatillomanie. Und wenn ihr am letzten Post Gefallen gefunden habt, dann werdet ihr auch diesen Post mögen, denn Janika hat auch eine sehr interessante Methode, die sie euch vorstellen möchte.


"Hallo zusammen! :) 
 
Ich hoffe, es geht euch allen gut! :)
 
Heute möchte ich mit euch eine Strategie teilen, die dafür gedacht ist, das Skin Picking zu kontrollieren. Es ist keine präventive Maßnahme, die eine Episode vorbeugen kann, sondern sie richtet sich an eine bereits ablaufende Episode, die durchbrochen werden soll.
 
Ich habe es bisher einmal geschafft, eine sehr intensive Skin Picking Episode dank dieser Maßnahme zu beenden. Es war auch das erste Mal, dass ich überhaupt darauf zurückgriff, die Idee dazu hatte ich nämlich schon etwas weiter zurück in der Vergangenheit. Ich hatte auch meinen Therapeuten darauf angesprochen und er hielt es für eine sehr wertvolle Strategie, da sie mit einer puren Konfrontation von den typischen Gefühlen der Anspannung verbunden ist und es zum Ziel hat, diese auszuhalten. 
 
Also, was habe ich getan? Bereits einige Wochen zuvor habe ich mir erneut darüber Gedanken gemacht, wie ich es schaffen könnte, eine Skin Picking Episode zu durchbrechen. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber in Momenten des Skin Pickings selbst fällt mir diese Rationalität schwierig. Dann bin ich zu sehr von meinen Emotionen überwältigt, sodass ich von jeglicher Logik abgeschnitten scheine. 
 
Meine Idee war nun die Folgende: Meine Dermatillomanie wird sehr stark von einem „Just-right“-Drang geprägt. Wie viele andere Zwangserkrankte auch, ist dieses Unvollständigkeitserleben an der Tagesordnung: Ein Zwang muss so lange wiederholt werden, bis er sich „richtig“ anfühlt. Es ist eine quälende, innere Unzufriedenheit mit den Zwangshandlungen, wodurch man diese wiederholen bzw. auf lange Zeit fortführen muss. Dieses „Genau-richtig-Gefühl“ ist wie eine zwangsstörungsspezifische Form des Perfektionismus. Beim Skin Picking tritt dieses Gefühl bei mir leider immer erst sehr spät auf. Meistens empfinde ich es erst, wenn die körperliche Erschöpfung hinzukommt. Dann kann ich mich so langsam davon überzeugen, dass es jetzt „genau richtig“ ist und das Gefühl schließt sich mit etwas Glück dieser Meinung dann kurze Zeit später an. 
 
Bei genauerer Reflexion ist mir dann jedoch bewusst geworden, wie sehr ich mich dadurch erneut meiner Erkrankung unterordne. Ich gebe dem Zwang die Verfügungsgewalt darüber, wann es soweit ist, aufzuhören. Nicht ich bestimme das Ende, sondern dieses Unvollständigkeitserleben bestimmt den Abschluss und das obwohl es doch überhaupt nur existieren kann, weil ich existiere. 
 
Somit wollte ich einen Plan entwerfen, wie ich dem Just-right-Erleben zuvorkommen kann. Dafür zeichnete ich mir eine Skizze, die ich unter dem Artikel noch einmal für euch abgebildet habe. Ich habe versucht, zu visualisieren, wie die Anspannungskurve während einer Episode verläuft. Da ist zunächst eine hohe Anspannung, die mich dazu verleitet, überhaupt erst in das Skin Picking abzurutschen. Dann nimmt die Anspannung sofort ab, ich gerate in einen Flow, durchströmt von Glücks- und Entspannungsgefühlen, teilweise so intensiv, dass ich von den Handlungen selbst gar nichts mitbekomme. Irgendwann komme ich dann an einen Punkt, der wie ein kurzes Erwachen ist. Mir wird zum ersten Mal bewusst, dass ich wieder abgerutscht bin. Ich konfrontiere mich mit der unschönen Wahrheit, dass ich wieder mittendrin stecke. Die Anspannung steigt auf ihren maximalen Wert, ich merke, dass ich hier nicht so einfach rauskomme. Ich weiß, dass ich erst mit dem Eintreten des Just-right-Gefühls die Episode abschließen kann. Die Haut wird weiterhin bearbeitet. Irgendwann tritt dann die körperliche Erschöpfung ein, die Anspannung sinkt. Das Just-right-Erleben tritt ein und ich beende die Episode. 
 
Doch nun folgt eine bittere Erkenntnis: Das Gefühl, das Skin Picking jetzt genau richtig ausgeführt zu haben, was sowohl die Intensität, als auch die Dauer betrifft, hält sich nicht lange. Manchmal nur einen Atemzug lang und dann geht es schon wieder weiter. Diesen Teufelskreislauf habe ich erst letztens wieder erlebt, als sich eine Episode über fünfeinhalb Stunden zog. Ich redete mir ein, dass ich es noch besser machen konnte, dass ich das Just right Gefühl noch mehr intensivieren könnte. So als hätte ich viel länger etwas davon, wenn ich es mir intensiver und kraftaufwendiger erarbeite. Ich wollte ein absolutes Hochgefühl erreichen, mit einer Erkrankung, die mich innerlich zerfrisst. Dieses Paradoxon kam mir plötzlich in den Sinn und ich erinnerte mich an meinen Plan, an meine Idee, die ich kurz unter der folgenden Divise zusammenfassen möchte: 
Unperfekt ist perfekt! 
Was meine ich nun damit? 
Ich habe mich selbst dazu gebracht, in einem Moment mit dem Skin Picking aufzuhören, in dem der Drang am stärksten war. Als ich in absoluter Gewissheit war, dass die Episode noch lange andauern würde. Ich erkläre dies einmal mit der Abbildung: Am absoluten Hochpunkt der emotionalen Anspannung habe ich mich aus dem Skin Picking befreit. Ich hatte den Gedanken an meinen Plan, die Kurve vor meinem geistigen Auge und ich erinnerte mich, dass es vielleicht einfacher für mich sein könnte, mit dem Skin Picking aufzuhören, wenn ich mittendrin stecke, wenn ich weiß, dass es weit davon entfernt ist, perfekt zu sein. Dadurch erhoffte ich mir, dass meine Ansprüche auf Perfektion sinken, denn ich wusste, ich habe das Ziel der Perfektion noch nicht gestreift und somit auch noch nicht von ihr gekostet. Ich habe mich, ein ganzes Stück, bevor es zum Just right kommen konnte, vom Spiegel entfernt. Die Gefühle der extremen Anspannung durchfluteten meinen Körper, ich ließ sie zu. 
 
Normalerweise endet eine Skin Picking Episode bei mir mit dem Gefühl, dass die Dauer und Intensität genau richtig waren. Ich empfinde im falschen Bewusstsein meine Handlungen als den Gipfel der Perfektion, als „besser hätte ich es nicht machen können“. Dadurch, dass ich die Handlung abschließe, ihr ein klares Ende zuweise, und mir somit auch noch selbst ein so wertvolles Feedback gebe, intensiviere ich in mir den Glauben, dass mir das Skin Picking guttut. Das eindeutige und von puren Glücksgefühlen durchströmte Ende einer Episode erhöht nur die Auftretenswahrscheinlichkeit einer weiteren Episode, die dann ebenfalls wieder ein eindeutiges Ende im Sinne des just right Erlebens braucht. Somit wächst die Abhängigkeit zu diesem Konstrukt und genau diese wollte ich mit meinem Plan durchbrechen. 
 
Das Skin Picking bewusst dann zu beenden, wenn das Unvollständigkeitsgefühl am größten ist, hat mit Konfrontation zu tun, die ich dringend notwendig habe. 
Es ist genau dieses hohe Anspannungsgefühl, das ich lernen muss, auszuhalten. Wenn ich eine Skin Picking Episode mit dem Gefühl der Perfektion abschließe wie es bislang der Fall war, keimt in mir sehr schnell das Gefühl heran, es kann noch besser werden oder aber auch, es gibt noch andere Hautstellen, die auch dieser Perfektion bedürfen. Wenn ich aber das Skin Picking mittendrin durchbreche, kann ich es vielleicht bald schaffen, die hohen Anforderungen sukzessive zu senken. Dann nehme ich meine Haut mehr so hin wie sie ist und kann damit leben. Denn immerhin weiß man ja so ziemlich gut von sich selbst, dass das Gefühl der Perfektion nur von kurzer Dauer ist, die nächste Episode kommt sowieso! Dann lieber nach alternativen und neuen Handlungsmustern schauen, in der Hoffnung, weiterzuwachsen, als sich immer wieder der gleichen Routine von Handlungen und Gefühlen hinzugeben! 
 
Bleibt stark,
 
eure Janika :)

4. Januar 2021

Gastpost - Part 12

Hey ihr! :) Frohes Neues!
 
Passend zum neuen Jahr habe ich einen ganz wundervollen Beitrag aus der Gastpostserie, in welcher Leser meines Blogs ihre Geschichten mit euch teilen. Ganz freiwillig natürlich! Mehr zum Entstehungshintergrund und Sinn dieser Postserie erfahrt ihr hier.
 
Wie schon gesagt, finde ich die Idee dieses Beitrags total inspirierend und schön und könnte mir daher auch vorstellen, dass es für einige von euch interessant sein könnte. So im Sinne des neuen Jahres, wisst ihr. Mal etwas Neues ausprobieren und neuen Strategien eine Chance geben. Diese Methode finde ich nämlich deshalb so erfrischend, weil sie auf Druck verzichtet und jeden noch so kleinen Erfolg so wunderbar visualisiert. Außerdem lässt sie sich gut abwandeln und an den eigenen Alltag anpassen. Noch dazu ist sie ohne viel Aufwand umsetzbar und wedelt einem die Krankheit nicht so aufdringlich mit einer großen, unübersehbaren Fahne vor's Gesicht, wenn ihr wisst, was ich meine. :D Aber jetzt endlich der entsprechende Beitrag und vorher noch der Aufruf als Einschub.

Vorher möchte ich euch als Betroffene ganz direkt ansprechen: Ihr habt niemanden zum Reden, möchtet aber trotzdem mal euer Herz ausschütten oder Frust rauslassen? Ihr traut euch nicht, selbst an die Öffentlichkeit zu gehen, möchtet aber dennoch, dass eure Geschichte von Menschen gelesen wird? Ihr habt ein paar tolle Tricks und Tipps oder einfach nur liebe Worte für Leidensgenossen, die ihr loswerden wollt? Ein eigener Blog wäre euch zu viel Arbeit, aber einen kleinen Post würdet ihr gerne verfassen? Dann meldet euch gerne bei mir! Schreibt mir eine E-Mail mit dem Betreff "Gastpost" an folgende Adresse: dermatillomanie-blog@web.de. Selbstverständlich dürft ihr auch Bilder mitsenden, wenn ihr das wollt. Ihr könnt dabei entweder von Anfang an namenslos bleiben oder mich darum bitten, euch zu anonymisieren. Ich werde euren Text dann unverändert innerhalb dieser Postserie veröffentlichen, sodass ihr selbst eventuelle Kommentare Anderer dazu lesen könnt.
 
 
"Wertemarkensystem - Eine Methode zur Verhaltensänderung

Das Skin Picking ist ein Verhalten, das wir uns irgendwann im Laufe unseres Lebens „antrainiert“
haben, weil es einen Nutzen für uns hatte. Die meisten Betroffenen beschreiben, dass sie sich
danach entspannter fühlen. Die große Frage ist, wie wir das nun wieder ändern können – wie
mühselig das ist, werden alle wissen, die selbst damit zu kämpfen haben. Auch ich bin immer
wieder auf der Suche nach neuen Methoden, mich davon abzuhalten und habe schon einiges
ausprobiert (vom wirkungslosen anfänglichen Verleugnen des Problems bis hin zum Vermeiden von
Spiegeln). Eine Methode, die mich nun schon länger begleitet und zumindest Teilerfolge erzielen
konnte, ist das sogenannte Wertmarkensystem (token system).

In der Psychologie wird beim Erlernen bestimmter Verhaltensweisen von Konditionierung
gesprochen - jeder kennt den sabbernden Hund Pawlows in der klassischen Konditionierung, der
lernte, dass mit dem Klang einer Glocke das Futter angekündigt wurde. Außerdem gibt es noch die
sogenannte operante Konditionierung, bei der das Verhalten durch das Ergebnis der eigenen
Handlung erlernt wird. Experimentell wird es meist durchgeführt mit einem Nagetier, das in einer
Box sitzt, auf einen Hebel drückt und dadurch Futter bekommt. Hebel drücken >> Futter = Heben
erneut drücken. Skin Picking >> Entspannung = Skin Picking wiederholen. Hat meine Handlung
positive Konsequenzen für mich, werde ich sie wohl wieder ausführen. Diese positive Konsequenz
wird Verstärkung genannt, weil sie das Verhalten verstärkt. Die gute Nachricht: Auch anderes
Verhalten kann verstärkt und so erlernt werden. Nun ist es ja aber leider meist so, dass die
Alternative zum Knibbeln (also dem Skin Picking zu trotzen) sowohl meist schwer, als auch
„nutzlos“ ist in dem Moment. Natürlich hätte es einen langfristigen Nutzen, wenn ich meine Haut
nicht demoliere, ich wünsche mir eben dieses Ergebnis, aber dieses große Ziel in ferner Zukunft
reicht nicht aus, um mich in dem Moment davon abzuhalten. Zu abstrakt, zu unerreichbar, zu
unkontrollierbar. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, meine gewünschten Erfolge in kleine
Teilschritte aufzuteilen und diese zu verstärken.

Am besten funktioniert eine Verstärkung, wenn sie direkt auf das erwünschte Verhalten (Skin
Picking widerstehen) folgt. Wenn ich mich jetzt jedes Mal, wenn ich es geschafft habe, mich
zusammenzureißen, in eine heiße Quelle zur Entspannung beamen könnte, wäre das perfekt, aber
leider etwas unrealistisch. Hier ist ein Wertmarkensystem eine gute Alternative, die in
psychologischen Studien zu guten Ergebnissen führte. Dabei erfolgt eine direkte Verstärkung durch
eine „Wertmarke“, einen Bonuspunkt sozusagen, der am Ende gegen eine echte Belohnung
eingetauscht wird. Die Belohnung gibt es also später, aber ich arbeite kontinuierlich darauf hin und
erreiche kleine Ziele.

So viel zur Theorie, wie sieht das jetzt in der Praxis aus:


Ich habe mir zwei Schälchen gebastelt (geht aber auch mit jeder x-beliebigen Schale), in die die
„Bonuspunkte“ kommen – hier in Form von kleinen Kugeln. In meinem System gibt es insgesamt
40 Punkte. (Angelehnt ist das Design an die Fabel vom Fuchs und den Trauben – der Fuchs hätte
gerne Trauben, kommt aber nicht an sie ran. Am Ende gibt er auf und sagt, er hätte sie eh nie
gewollt, weil er es nicht geschafft hat. Aufgeben ist keine Option, mein Fuchs soll am Ende alle
Trauben bekommen!) In der ovalen Blatt-Schale befinden sich anfangs alle Trauben/Kugeln. Jedes
Mal, wenn ich es schaffe, meine Haut in Ruhe zu lassen, bekommt der Fuchs eine Traube. Im Glas
rechts befindet sich meine Belohnung – ich bin eine Schmuckliebhaberin, deshalb gibt es für mich
meistens kleine Schmuckstücke zu „gewinnen“. Wichtig ist hierbei, dass die Belohnung etwas
lohnenswertes ist, sonst funktioniert es nicht! Für mich sind das neue Ohrringe oder ein kleiner
funkelnder Kettenanhänger, für jemand anderen vielleicht ein kleiner Wochenendausflug oder ein
Besuch des Lieblingsrestaurants. Dafür könnte man sich ja einen kleinen Gutschein neben die
Schalen legen. Das ist zwar nicht zwingend notwendig, es spornt mich aber zusätzlich an, wenn ich
mein Ziel sehen kann.

Nach welchen „Regeln“ ein Bonuspunkt rüberwandert und wann das Ziel erreicht ist, kann jeder
selbst festlegen. Ich passe das gern flexibel an das Ziel und mein Durchhaltevermögen an. Was
bringt eine starre Regel, wenn ich so wenig zu erreichen scheine, dass es mich frustriert und ich es
ganz sein lasse. Bei eher „kleinen Gewinnen“ erlaube ich es mir auch, mein Ziel nach der Hälfte der
Punkte erreicht zu haben, das lege ich dann meist vorher fest.

Ein Beispiel für ein Regelsystem ist Folgendes: Ich kann am Tag maximal 4 Trauben für den Fuchs
erreichen. Meine kritischen Zeiten fürs Skin Picking sind vor allem morgens und abends. Lasse ich
meine Haut morgens völlig in Ruhe, gibt es zwei Punkte. Schaffe ich es nicht ganz, löse mich aber
noch, bevor es eskaliert, gibt es einen Punkt. Kann ich mich gar nicht zügeln, gibt es keinen Punkt.
Das gleiche gilt am Abend. An richtig guten Tagen kann ich also 4 von 40 Punkten „erspielen“!
Wenn das zu einfach ist, kann ich auch mit „Strafpunkten“ arbeiten und bei völliger Eskalation bis
zu 4 Punkte pro Tag verlieren. Das kann andererseits aber auch wieder frustrieren. Ich schaue
einfach jeweils, was mich zur Zeit am meisten motiviert und was vom Gefühl her passt. In richtig
schlechten Zeiten waren auch weitere Bonuspunkte möglich, jedes Mal wenn ich es geschafft habe,
mich vom Knibbeln loszureißen. Hat der Fuchs alle Trauben bei sich, habe ich mir meine
Belohnung verdient und es kann mit neuer Belohnung von vorn starten.

Das System macht für mich die kleinen Teilerfolge sichtbar, die ich sonst sofort wieder vergesse.
Wenn ich glaube, gar nicht voranzukommen, weil mein Hautbild seit Wochen gleich schlecht zu
bleiben scheint, kann ich in mein Schälchen schauen und sehe, dass ich es auch durchaus schon
geschafft habe, zu widerstehen. Und wenn ich meinen Kettenanhänger trage, den ich mir als erstes
mit diesem System erkämpft habe, bin ich richtig stolz auf mich, wenn ich ihn betrachte. Es hat
Wochen gedauert, es waren sehr kleine Schritte, aber es waren Erfolge. Auch wenn es wieder
schlecht läuft, ich werde daran erinnert, dass ich es schon einmal geschafft habe es bergauf gehen
zu lassen. Ich werde es also wieder schaffen.

Vielleicht probiert es noch jemand aus und vielleicht hilft es, ich hoffe es. Ich denke, wir können uns
gegenseitig durch das Teilen unserer Lösungswege unterstützen. :) Und seid dabei nicht zu kritisch
zu euch selbst! Viel Erfolg! Kathrin
"


Vielen herzlichen Dank, dass du diese Methode mit uns geteilt hast! <3 Falls ihr mehr Gastbeiträge lesen wollt, dann schaut beim Label "Eure Geschichten" vorbei!