Guten Morgen! :)
Ich würde mich heute gerne einem recht subjektiven und viel diskutierten Themenfeld widmen. Eigentlich hätte ich auf meinem Blog wohl nie darüber gesprochen, aber durch Instagram habe ich dazu nochmal eine neue Perspektive und irgendwie auch Redebedarf bekommen. Wir sprechen gleich über Triggerpotentiale und Triggerwarnungen bei Fotos, die die menschliche Haut (nach dem Skin Picking) zeigen. Ich habe mich dazu auch mit ein, zwei Personen aus meinem Umfeld ausgetauscht, unter Anderem mit Janika (siehe "Derma-Self-Love-Club"-Postserie hier). Daher wird der heutige Post gefärbt sein von meinem Austausch mit diesen Leuten.
Vorher - damit ihr wisst, worum es geht - zeige ich euch meine Haut von neulich. Ich bin in den vielleicht schlechtesten Hautzustand meiner bisherigen Dermatillomanie-Laufbahn geraten. Alles hat gebrannt wie Feuer und ich habe mich damit abgekämpft, die einfachsten Dinge zu machen. Bevor die Bilder entstanden sind, habe ich z.B. eine Stunde lang vergeblich versucht, mir die Zähne zu putzen. Ein kurzer und eigentlich einfacher Step bei der Abendroutine. Es ist zuletzt also ziemlich herausfordernd für mich, das gebe ich zu.
Früher, als ich nur hier von meiner Geschichte erzählt und nur hier Aufnahmen meiner Haut geteilt habe, habe ich nie darüber nachgedacht, ob ich das vielleicht zugunsten des Wohlbefindens meiner Leser lassen oder mit einer Warnung versehen sollte. Für mich war schon immer selbstverständlich, dass dieser Blog zwar öffentlich, aber gewissermaßen ein Safe-Place für mich (und euch) ist. Hier darf ich alles teilen und diejenigen, die das sehen und lesen, werden wissen, worauf sie sich einlassen. Man stolpert ja nicht ausversehen über meinen Blog oder meine Bilder - hier sind höchstwahrscheinlich nur (ehemalige) Betroffene und höchstens noch Angehörige. Eventuell etwas zu kurz gedacht, aber im Prinzip sehe ich das auch heute noch so. Durch meine zusätzliche Arbeit auf Instagram präsentiere ich mich aber einer grundlegend anderen Plattform mit anderen Menschen: Viel mehr Menschen, die nicht selbst betroffen sind und die mehr oder weniger "zufällig" oder "ungewollt" sehen, was ich poste. Was das noch so alles bedeuten kann, finde ich bis heute heraus. Vor einiger Zeit wurde ich dann durch eine liebe Person darauf aufmerksam gemacht, dass meine Bilder auf sie manchmal triggernd wirken. Dieser Hinweis hat bei mir wohl einen unbewussten gedanklichen Prozess in Gang gebracht. Denn als ich vor einigen Wochen die letzten Bilder aus diesem Post auf Instagram geteilt habe, habe ich mir vorher Gedanken gemacht und plötzlich gedacht, dass diese Fotos "zu schlimm" seien. Dass ich bisher zwar schon immer aus voller Überzeugung offen, ehrlich und möglichst nah/real sein wollte, dass ich damit aber eine "Grenze" überschreiten könnte. Und das, obwohl diese Bilder für mich am ehesten an die Realität herankommen und ich sie genau deshalb teilen wollte. Sie bringen am ehesten rüber, wie ICH meine Haut tagtäglich im Spiegel sehe. Vieles wird nämlich auf dem Weg des Fotografierens und Hochladens verschluckt. Naja... Letztendlich habe ich die besagten Fotos und auch die obigen Fotos auf Instagram gepostet. Ohne Triggerwarnungen. Das war quasi der Hergang dieser Auseinandersetzung im Groben.
Nun möchte ich versuchen, euch ein wenig in meinen Kopf hineinschauen zu lassen. Ich möchte euch darlegen, was für mich persönlich (!) die größten Nachteile oder Kritikpunkte an Triggerwarnungen sind und weshalb ich für meine Inhalte darauf verzichten werde. Damit möchte ich übrigens keineswegs behaupten, dass meine Bilder absolut kein Triggerpotential haben können! Ich möchte an keiner Stelle die Erfahrungen, Gefühle und Gedanken negieren, die manche Betroffene vielleicht haben. Mir ist, wie eingangs erwähnt, bewusst, dass das ein individuelles Empfinden ist und genau da möchte ich im Folgenden ansetzen. Ich möchte im Übrigen genauso wenig behaupten, dass Triggerwarnungen generell keinen Nutzen oder Sinn haben! Es geht hier, das sollte klar sein, um meine eigene Arbeit bezüglich des Skin Pickings.
- Die Umsetzung von Triggerwarnungen scheitert für mich schon daran, dass es keine definierbaren und einheitlichen Grenzen oder Regeln dazu gibt, wann eine solche Warnung gebraucht wird und wann nicht (eben weil es subjektiv und eventuell sogar themen- und plattformabhängig ist). Manche Posts und Inhalte, die Triggerwarnungen besitzen, sind für manche Personen null triggernd - gleichzeitig können andere Posts und Inhalte, die keine Triggerwarnung haben, für manche Personen triggernd sein. Beide Male blöd gelaufen. Das führt nämlich ggf. auch dazu, dass Triggerwarnungen aus Übervorsicht zu oft gesetzt werden. So verschwimmen die Übergänge zwischen "harmloseren" zu "extremeren" Dingen, die "eher" eine Triggerwarnung verdient hätten und damit gewissermaßen verharmlost werden könnten. Ich finde, das kann man ganz generell beobachten, da Triggerwarnungen in ihrer Anfangszeit viel spezifischer genutzt wurden als es heute (in und durch die sozialen Medien) der Fall ist. An sich ist es natürlich kein legitimer Grund, zu sagen, dass man etwas gleich komplett unterlässt, weil es keine klaren Vorgaben gibt. Aber es gibt da ja noch einen weiteren Aspekt, der mitschwingt...
- Man kann nie allen gerecht werden. Wenn man das wollen würde, müsste man sehen, wie man unzählige verschiedene Bedürfnisse und Ansichten unter einen Hut bringen will, ohne dabei sich selbst und die Message zu vergessen. Das ist schlicht nicht umsetzbar. Man kann niemals für so viele Einzelschicksale Verantwortung übernehmen. Jeder muss das am Ende für sich selbst tun, das kann ich nicht übernehmen. Man MUSS mir ja nicht folgen, man MUSS sich meine Bilder nicht anschauen. Ich kommuniziere, dass ich meine Haut offen zeige, mehr kann ich nicht tun. Es ist selbstverständlich vollkommen in meinem Sinn, dass mir nur die Leute folgen, die mit meinem Content umgehen können. Und wenn das nicht der Fall ist, habe ich dafür vollstes Verständnis und erwarte, dass derjenige seine Konsequenzen daraus zieht. Diese Verantwortung liegt dann nicht bei mir.
- Ein sehr auf mich bezogener Punkt: Ich wüsste selbst gar nicht, wo und nach welchen Kriterien ich Grenzen setzen würde. Was hat eine Triggerwarnung verdient und was nicht? Warum? Ist das nicht eigentlich bloß mein subjektives Empfinden der Sache, das ich da meinen Lesern aufdrücke? Und begebe ich mich damit nicht auf dünnes Eis, wenn ich mich ständig selbst bewerten muss, was das angeht? Diese Fragen lasse ich einfach mal so stehen...
- Ganz allgemein muss man ja auch sagen: Triggerwarnungen halten nicht alle Menschen davon ab, sich potentiell triggernde Inhalte anzugucken. Das ist wohl ein Problem, das in der Natur der Sache liegt. Manche Personen werden von Triggerwarnungen sogar extra motiviert, sich Inhalte anzusehen. Das eröffnet ein Paradoxon: Triggerwarnungen können selbst triggernd sein und eventuell sogar triggernder als hätte man die Warnung einfach weggelassen. Sie fungieren wie eine Art selbsterfüllende Prophezeiung.
- Des Weiteren sind Triggerwarnungen gewissermaßen auch eine Form der Zensur und hemmen aus meiner Sicht sowohl die Auseinandersetzung und Diskussion, als auch die Enttabuisierung von gewissen Themen, in diesem Fall Skin Picking. Ich möchte Skin Picking aber öffentlich behandeln und in die Welt bringen und das möglichst authentisch bzw. realitätsnah, ohne einen verzerrenden Schleier drüber. Ich möchte mich nicht einschränken müssen, sondern mein Wohlergehen und meine Bedürfnisse an erste Stelle setzen und das steht mir auch zu. Ich möchte weiterhin offen und ehrlich mit euch sein. Triggerwarnungen würden sich diesbezüglich wie ein Rückschritt in meiner Aufklärungsarbeit anfühlen.
- Das führt mich zu meinem letzten und wichtigsten Punkt: Triggerwarnungen kommunizieren etwas, was ich gar nicht kommunizieren will. Sie sagen quasi "Folgende Inhalte können etwas mit dir machen" oder "Folgende Inhalte können erschreckend/verstörend/komisch/belastend/schlimm wirken" oder "Folgende Inhalte benötigen eine Warnung". Wenn ich das indirekt kommuniziere, arbeite ich eigentlich meiner inneren Überzeugung und Message entgegen. Ich will ja eigentlich zeigen, dass meine oder unsere Hautbilder nichts sind, wofür sich geschämt werden müsste oder wovor man Angst haben bräuchte. Ich möchte kommunizieren, dass das normal und menschlich ist. Es sollte nicht der Rede wert sein, wie unsere Haut aussieht, also auch nicht einer Triggerwarnung. Ich muss niemanden wegen meiner Haut warnen, das tue ich im echten Leben ja auch nicht. Außerdem ist es mir ein Anliegen, anderen Betroffenen mit diesen Bildern zu zeigen, dass sie nicht allein sind und dass wir im Geiste und im Leid verbunden sind. Bilder können das manchmal anders und besser zeigen als Worte.
Fazit für mich: Es wird meinerseits keine Triggerwarnungen an euch geben, weil sie nicht den Werten entsprechen, für die ich in meiner Arbeit stehen möchte. Und da ich sowieso nie allen gerecht werden kann, wähle ich lieber den Weg, wo ich zumindest mir selbst gerecht werde. Danke, dass ihr dafür Verständnis habt! Ich hoffe, meine Gedanken waren nachvollziehbar und möglicherweise sogar interessant.
So und nun lasst uns mal nicht zählen, wie oft ich in diesem Beitrag das Wort "Triggerwarnung" geschrieben habe. :D Könnte man ein Trinkspiel draus machen. Prost!