- Die Umsetzung von Triggerwarnungen scheitert für mich schon daran, dass es keine definierbaren und einheitlichen Grenzen oder Regeln dazu gibt, wann eine solche Warnung gebraucht wird und wann nicht (eben weil es subjektiv und eventuell sogar themen- und plattformabhängig ist). Manche Posts und Inhalte, die Triggerwarnungen besitzen, sind für manche Personen null triggernd - gleichzeitig können andere Posts und Inhalte, die keine Triggerwarnung haben, für manche Personen triggernd sein. Beide Male blöd gelaufen. Das führt nämlich ggf. auch dazu, dass Triggerwarnungen aus Übervorsicht zu oft gesetzt werden. So verschwimmen die Übergänge zwischen "harmloseren" zu "extremeren" Dingen, die "eher" eine Triggerwarnung verdient hätten und damit gewissermaßen verharmlost werden könnten. Ich finde, das kann man ganz generell beobachten, da Triggerwarnungen in ihrer Anfangszeit viel spezifischer genutzt wurden als es heute (in und durch die sozialen Medien) der Fall ist. An sich ist es natürlich kein legitimer Grund, zu sagen, dass man etwas gleich komplett unterlässt, weil es keine klaren Vorgaben gibt. Aber es gibt da ja noch einen weiteren Aspekt, der mitschwingt...
- Man kann nie allen gerecht werden. Wenn man das wollen würde, müsste man sehen, wie man unzählige verschiedene Bedürfnisse und Ansichten unter einen Hut bringen will, ohne dabei sich selbst und die Message zu vergessen. Das ist schlicht nicht umsetzbar. Man kann niemals für so viele Einzelschicksale Verantwortung übernehmen. Jeder muss das am Ende für sich selbst tun, das kann ich nicht übernehmen. Man MUSS mir ja nicht folgen, man MUSS sich meine Bilder nicht anschauen. Ich kommuniziere, dass ich meine Haut offen zeige, mehr kann ich nicht tun. Es ist selbstverständlich vollkommen in meinem Sinn, dass mir nur die Leute folgen, die mit meinem Content umgehen können. Und wenn das nicht der Fall ist, habe ich dafür vollstes Verständnis und erwarte, dass derjenige seine Konsequenzen daraus zieht. Diese Verantwortung liegt dann nicht bei mir.
- Ein sehr auf mich bezogener Punkt: Ich wüsste selbst gar nicht, wo und nach welchen Kriterien ich Grenzen setzen würde. Was hat eine Triggerwarnung verdient und was nicht? Warum? Ist das nicht eigentlich bloß mein subjektives Empfinden der Sache, das ich da meinen Lesern aufdrücke? Und begebe ich mich damit nicht auf dünnes Eis, wenn ich mich ständig selbst bewerten muss, was das angeht? Diese Fragen lasse ich einfach mal so stehen...
- Ganz allgemein muss man ja auch sagen: Triggerwarnungen halten nicht alle Menschen davon ab, sich potentiell triggernde Inhalte anzugucken. Das ist wohl ein Problem, das in der Natur der Sache liegt. Manche Personen werden von Triggerwarnungen sogar extra motiviert, sich Inhalte anzusehen. Das eröffnet ein Paradoxon: Triggerwarnungen können selbst triggernd sein und eventuell sogar triggernder als hätte man die Warnung einfach weggelassen. Sie fungieren wie eine Art selbsterfüllende Prophezeiung.
- Des Weiteren sind Triggerwarnungen gewissermaßen auch eine Form der Zensur und hemmen aus meiner Sicht sowohl die Auseinandersetzung und Diskussion, als auch die Enttabuisierung von gewissen Themen, in diesem Fall Skin Picking. Ich möchte Skin Picking aber öffentlich behandeln und in die Welt bringen und das möglichst authentisch bzw. realitätsnah, ohne einen verzerrenden Schleier drüber. Ich möchte mich nicht einschränken müssen, sondern mein Wohlergehen und meine Bedürfnisse an erste Stelle setzen und das steht mir auch zu. Ich möchte weiterhin offen und ehrlich mit euch sein. Triggerwarnungen würden sich diesbezüglich wie ein Rückschritt in meiner Aufklärungsarbeit anfühlen.
- Das führt mich zu meinem letzten und wichtigsten Punkt: Triggerwarnungen kommunizieren etwas, was ich gar nicht kommunizieren will. Sie sagen quasi "Folgende Inhalte können etwas mit dir machen" oder "Folgende Inhalte können erschreckend/verstörend/komisch/belastend/schlimm wirken" oder "Folgende Inhalte benötigen eine Warnung". Wenn ich das indirekt kommuniziere, arbeite ich eigentlich meiner inneren Überzeugung und Message entgegen. Ich will ja eigentlich zeigen, dass meine oder unsere Hautbilder nichts sind, wofür sich geschämt werden müsste oder wovor man Angst haben bräuchte. Ich möchte kommunizieren, dass das normal und menschlich ist. Es sollte nicht der Rede wert sein, wie unsere Haut aussieht, also auch nicht einer Triggerwarnung. Ich muss niemanden wegen meiner Haut warnen, das tue ich im echten Leben ja auch nicht. Außerdem ist es mir ein Anliegen, anderen Betroffenen mit diesen Bildern zu zeigen, dass sie nicht allein sind und dass wir im Geiste und im Leid verbunden sind. Bilder können das manchmal anders und besser zeigen als Worte.
Dieser Blog dient mir seit 2014 als eine Art "Tagebuch", in dem ich meine Reise mit dem Skin Picking festhalte. Des Weiteren möchte ich informieren, das Thema bekannter machen und anderen Betroffenen Verständnis, Mut sowie Inspiration schenken. Nebenbei teile ich auch andere Bereiche meines Lebens mit euch, lade Fotos hoch und Ähnliches. Viel Freude und Erkenntnisse beim Lesen!
22. Mai 2022
Triggerpotential und -warnungen
2 Kommentare:
Ich hoffe, euch hat dieser Post gefallen! Ihr wollt einen Kommentar hinterlassen, mir Lob, Anregungen, Tipps oder auch Kritik geben? Dann macht das, ich freue mich jederzeit über Rückmeldungen und werde antworten. :) Ihr wollt mich weiterführend per E-Mail anschreiben? Ich bin unter folgender E-Mail für euch erreichbar: dermatillomanie-blog@web.de
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Hey liebe Jacqueline! Ich bin so froh, dass du deinen eigenen Umgang mit dieser Thematik gefunden hast und meine Ideen dir ein kleines bisschen dabei helfen konnten! Ich bin total deiner Meinung: Wohin begeben wir uns, wenn wir uns jedes Mal selbst bewerten müssen, ob wir noch "zumutbar" sind oder nicht mehr? Wir wollen ja für mehr Transparenz sorgen! Das können wir nur erreichen, wenn wir mutig genug sind, die ehrliche und ungeschönte Seite des Krankheitsbildes zu zeigen! Chapeau von mir!
AntwortenLöschenHey Janika! :) Jetzt beantworte ich deinen Kommentar erst so spät, entschuldige bitte. Ich habe mich aber sehr über deine Worte gefreut und ja, du hast mir bei dem Auseinandersetzungsprozess wirklich außerordentlich geholfen! :) Ich sehe mich auch immer wieder weiter darin bestätigt, dass wir zumutbar sind und das ganz unabhängig von unserem Hautzustand. Wir stehen niemals in der Position, uns zugunsten Anderer verstecken zu müssen. Wir haben genauso das Anrecht darauf, uns so zu zeigen, wie wir wollen und wie wir sind!
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