11. November 2022

Spiegelwelten

Foto von Marie Rheinländer (entstanden im Fotoworkshop)

Foto von Marie Rheinländer (entstanden im Fotoworkshop)

Spiegel... Wir alle nutzen sie mehrmals täglich für ziemlich viele Alltagsdinge: Gesichtsreinigung und -pflege, Zahnhygiene, Haare bürsten und frisieren, Augenbrauen zupfen, ggf. schminken, Kleidungswahl, Schmuck anlegen etc.. Ziemlich unentbehrlich die Dinger. Doch für viele Menschen mit BFRB's wie Skin Picking sind Spiegel für mehr als diese Alltagsaufgaben gut, sodass sie als wahrer Magnet fungieren können. Millimeter nah vor der spiegelnden Oberfläche scannen wir oftmals unsere Hautoberfläche ab und kratzen, pulen und drücken an ihr herum. Es fühlt sich fast an wie ein kräftiger Sog, der uns in seinen Bann zieht und festhält. Viele Betroffene können sich in diesen Momenten, wenn sie schon tief im Verhalten stecken, nicht mehr gut vom Spiegel lösen. Deshalb sind Spiegel für viele BFRB-Betroffene ein Problem und das Bad als ganzer Raum ein Risikoort. Damit verbunden sind natürlich auch die Morgen- und Abendroutine, die für einen Großteil der Betroffenen Risikosituationen darstellen. Aus diesen Gründen gibt es zahlreiche Strategien und Tipps, die darauf abzielen, sich seltener oder weniger gut im Spiegel betrachten zu können, um sich so gut es geht den visuellen Triggern zu entziehen.
 
Wie geht es euch damit? Verbindet ihr euer Skin Picking (/eure Trichotillomanie, etc.) mit dem Spiegel oder ist er gar nicht so problematisch für euch? Was denkt ihr eigentlich so über euer Spiegelbild? Was für einen Blick gebt ihr eurem Spiegelbild und wie sprecht ihr mit euch selbst, wenn ihr euch so anseht? Seht ihr eure Haut meistens nur in Ultranahaufnahme oder könnt ihr gut einen Schritt zurücktreten und euch als Gesamterscheinung betrachten? Was lenkt eure Aufmerksamkeit: Das, was ihr an euch mögt oder eher das, was ihr nicht so gern seht? Findet ihr, dass euer Spiegelbild dem Empfinden von eurer Erscheinung nahe kommt? Könnt ihr euch mit dem identifizieren, was ihr seht? Fällt es euch schwer, eurem Spiegelbild ein Lächeln zu schenken? ...

Foto von Marie Rheinländer (entstanden im Fotoworkshop)

Foto von Marie Rheinländer (entstanden im Fotoworkshop)

Wie ist es euch eben ergangen, als ihr diese ganzen Fragen gelesen habt? Konntet ihr damit etwas anfangen, habt ihr euch eventuell sogar ein paar kurze Gedanken gemacht? Oder empfandet ihr eher eine Art innere Ablehnung zu dem Thema? Vielleicht habt ihr bemerkt, dass ihr ziemlich streng mit eurem Spiegelbild seid? Das löst natürlich nicht unbedingt schöne Gefühle in einem aus, ich kenne das selbst...

Ich und mein Spiegelbild, wir führen eine Beziehung, die durch Höhen und Tiefen geht. Ich kenne die sonnigen und bunten Tage, an denen ich mich selbst im Spiegel ansehe und denke "Ach Mensch, hast es doch eigentlich ganz gut getroffen!" oder "Heute fühle ich mich wohl und schön!". An diesen Tagen mag ich mich und bin sehr selbstsicher. Aber ich kenne auch die dunklen Tage, an denen ich mir selbst kaum in die Augen sehen kann - meistens ist meine Haut an diesen Tagen deutlich durch das Skin Picking gezeichnet. Natürlich fühle ich mich dann irgendwie an meine "Schwäche" erinnert und mir fällt es schwer, darüber hinwegzusehen. Ich muss gestehen, dass es kaum Momente gibt, an denen ich nicht irgendwie an mein Skin Picking denke (geschweige denn es ausübe), wenn ich in den Spiegel blicke. Also ja: Spiegel sind für mich (aktuell noch) untrennbar mit Skin Picking und meiner Haut verbunden. Und wenn ich mit meinem Spiegelbild spreche, dann meistens eher kühl und streng, beinahe veurteilend bzw. vorwurfsvoll. Da ist noch viel Luft nach oben. Auch an meiner Art, mich zu betrachten, könnte ich arbeiten. Ich als Gesamtbild... das schaue ich mir viel zu selten an. Dabei prädige ich doch oft genug, dass wir mehr sind als unsere Haut, unsere Hände oder unser Skin Picking mit all seinen Spuren. Ich darf ruhig liebevoller mit mir umgehen und mir auch mal ein Lächeln schenken, wenn ich morgens einen kleinen Boost in den Tag brauche oder abends ein Zeichen dafür, dass ich stolz auf mich sein kann. Wisst ihr, ich bin sehr gespannt darauf, wie sich mein Blick auf mich selbst verändern wird, wenn ich mich Stück für Stück vom Skin Picking befreie. Wie werde ich dann zu meinem Spiegelbild stehen? Was werde ich mit Spiegeln verbinden? Auch hierbei wartet eine kleine Reise auf mich...

PS: Ist es nicht verrückt, dass wir uns niemals so sehen werden wie unsere Mitmenschen uns sehen? Wir können unser gespiegeltes Äußeres sehen oder Foto- und Videoaufnahmen von uns betrachten, aber niemals werden wir uns in Echtzeit durch die Augen einer anderen Person sehen können. Niemals werden wir unsere ganze Strahlkraft erkennen können. Was uns da alles verwehrt bleiben muss...

Sidenote: Zur Zeit der Aufnahmen innerhalb des Fotoworkshops war meine Haut in einem äußerst guten Zustand und zusätzlich geschminkt, sodass wenig Anzeichen vom Skin Picking auf den ersten Blick erkennbar sind. Das bedeutet aber nicht, dass ich zu diesem Zeitpunkt weniger betroffen war als sonst oder dass die Bilder für mich keine Bedeutung haben.

2 Kommentare:

  1. Ein toller Beitrag, finde es Klasse das du die online Präsenz so sinnvoll bnutzt :)

    Viele Grüße
    Yannick von Gerhardt Cosmetics

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