Hey, ihr Lieben!
Wisst ihr, wer sich immer wieder neu mit seinem Skin Picking auseinandersetzt? Wer sich immer wieder neue Gedanken dazu macht und neue Methoden entwickelt, um der Krankheit zu begegnen? Und wer meiner Meinung nach so oft wahnsinnig wertvolle Dinge zu sagen hat? Janika! Sie erzählt euch innerhalb dieser Postserie ganz offen von ihrer eigenen Geschichte mit der Dermatillomanie. Und wenn ihr am letzten Post Gefallen gefunden habt, dann werdet ihr auch diesen Post mögen, denn Janika hat auch eine sehr interessante Methode, die sie euch vorstellen möchte.
"Hallo zusammen! :)
Ich hoffe, es geht euch
allen gut! :)
Heute möchte ich mit euch
eine Strategie teilen, die dafür gedacht ist, das Skin Picking zu
kontrollieren. Es ist keine präventive Maßnahme, die eine Episode
vorbeugen kann, sondern sie richtet sich an eine bereits ablaufende
Episode, die durchbrochen werden soll.
Ich habe es bisher einmal
geschafft, eine sehr intensive Skin Picking Episode dank dieser
Maßnahme zu beenden. Es war auch das erste Mal, dass ich überhaupt
darauf zurückgriff, die Idee dazu hatte ich nämlich schon etwas
weiter zurück in der Vergangenheit. Ich hatte auch meinen
Therapeuten darauf angesprochen und er hielt es für eine sehr
wertvolle Strategie, da sie mit einer puren Konfrontation von den
typischen Gefühlen der Anspannung verbunden ist und es zum Ziel hat,
diese auszuhalten.
Also, was habe ich getan?
Bereits einige Wochen zuvor habe ich mir erneut darüber Gedanken
gemacht, wie ich es schaffen könnte, eine Skin Picking Episode zu
durchbrechen. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber in Momenten des
Skin Pickings selbst fällt mir diese Rationalität schwierig. Dann
bin ich zu sehr von meinen Emotionen überwältigt, sodass ich von
jeglicher Logik abgeschnitten scheine.
Meine Idee war nun die
Folgende: Meine Dermatillomanie wird sehr stark von einem
„Just-right“-Drang geprägt. Wie viele andere Zwangserkrankte
auch, ist dieses Unvollständigkeitserleben an der Tagesordnung: Ein
Zwang muss so lange wiederholt werden, bis er sich „richtig“
anfühlt. Es ist eine quälende, innere Unzufriedenheit mit den
Zwangshandlungen, wodurch man diese wiederholen bzw. auf lange Zeit
fortführen muss. Dieses „Genau-richtig-Gefühl“ ist wie eine
zwangsstörungsspezifische Form des Perfektionismus. Beim Skin
Picking tritt dieses Gefühl bei mir leider immer erst sehr spät
auf. Meistens empfinde ich es erst, wenn die körperliche Erschöpfung
hinzukommt. Dann kann ich mich so langsam davon überzeugen, dass es
jetzt „genau richtig“ ist und das Gefühl schließt sich mit
etwas Glück dieser Meinung dann kurze Zeit später an.
Bei genauerer Reflexion
ist mir dann jedoch bewusst geworden, wie sehr ich mich dadurch
erneut meiner Erkrankung unterordne. Ich gebe dem Zwang die
Verfügungsgewalt darüber, wann es soweit ist, aufzuhören. Nicht
ich bestimme das Ende, sondern dieses Unvollständigkeitserleben
bestimmt den Abschluss und das obwohl es doch überhaupt nur
existieren kann, weil ich existiere.
Somit wollte ich einen
Plan entwerfen, wie ich dem Just-right-Erleben zuvorkommen kann.
Dafür zeichnete ich mir eine Skizze, die ich unter dem Artikel noch
einmal für euch abgebildet habe. Ich habe versucht, zu
visualisieren, wie die Anspannungskurve während einer Episode
verläuft. Da ist zunächst eine hohe Anspannung, die mich dazu
verleitet, überhaupt erst in das Skin Picking abzurutschen. Dann
nimmt die Anspannung sofort ab, ich gerate in einen Flow, durchströmt
von Glücks- und Entspannungsgefühlen, teilweise so intensiv, dass
ich von den Handlungen selbst gar nichts mitbekomme. Irgendwann komme
ich dann an einen Punkt, der wie ein kurzes Erwachen ist. Mir wird
zum ersten Mal bewusst, dass ich wieder abgerutscht bin. Ich
konfrontiere mich mit der unschönen Wahrheit, dass ich wieder
mittendrin stecke. Die Anspannung steigt auf ihren maximalen Wert,
ich merke, dass ich hier nicht so einfach rauskomme. Ich weiß, dass
ich erst mit dem Eintreten des Just-right-Gefühls die Episode
abschließen kann. Die Haut wird weiterhin bearbeitet. Irgendwann
tritt dann die körperliche Erschöpfung ein, die Anspannung sinkt.
Das Just-right-Erleben tritt ein und ich beende die Episode.
Doch nun folgt eine
bittere Erkenntnis: Das Gefühl, das Skin Picking jetzt genau richtig
ausgeführt zu haben, was sowohl die Intensität, als auch die Dauer
betrifft, hält sich nicht lange. Manchmal nur einen Atemzug lang und
dann geht es schon wieder weiter. Diesen Teufelskreislauf habe ich
erst letztens wieder erlebt, als sich eine Episode über fünfeinhalb
Stunden zog. Ich redete mir ein, dass ich es noch besser machen
konnte, dass ich das Just right Gefühl noch mehr intensivieren
könnte. So als hätte ich viel länger etwas davon, wenn ich es mir
intensiver und kraftaufwendiger erarbeite. Ich wollte ein absolutes
Hochgefühl erreichen, mit einer Erkrankung, die mich innerlich
zerfrisst. Dieses Paradoxon kam mir plötzlich in den Sinn und ich
erinnerte mich an meinen Plan, an meine Idee, die ich kurz unter der
folgenden Divise zusammenfassen möchte:
Unperfekt ist perfekt!
Was meine ich nun damit?
Ich habe mich selbst dazu
gebracht, in einem Moment mit dem Skin Picking aufzuhören, in dem
der Drang am stärksten war. Als ich in absoluter Gewissheit war,
dass die Episode noch lange andauern würde. Ich erkläre dies einmal
mit der Abbildung: Am absoluten Hochpunkt der emotionalen Anspannung
habe ich mich aus dem Skin Picking befreit. Ich hatte den Gedanken an
meinen Plan, die Kurve vor meinem geistigen Auge und ich erinnerte
mich, dass es vielleicht einfacher für mich sein könnte, mit dem
Skin Picking aufzuhören, wenn ich mittendrin stecke, wenn ich weiß,
dass es weit davon entfernt ist, perfekt zu sein. Dadurch erhoffte
ich mir, dass meine Ansprüche auf Perfektion sinken, denn ich
wusste, ich habe das Ziel der Perfektion noch nicht gestreift und
somit auch noch nicht von ihr gekostet. Ich habe mich, ein ganzes
Stück, bevor es zum Just right kommen konnte, vom Spiegel entfernt.
Die Gefühle der extremen Anspannung durchfluteten meinen Körper,
ich ließ sie zu.
Normalerweise endet eine
Skin Picking Episode bei mir mit dem Gefühl, dass die Dauer und
Intensität genau richtig waren. Ich empfinde im falschen Bewusstsein
meine Handlungen als den Gipfel der Perfektion, als „besser hätte
ich es nicht machen können“. Dadurch, dass ich die Handlung
abschließe, ihr ein klares Ende zuweise, und mir somit auch noch
selbst ein so wertvolles Feedback gebe, intensiviere ich in mir den
Glauben, dass mir das Skin Picking guttut. Das eindeutige und von
puren Glücksgefühlen durchströmte Ende einer Episode erhöht nur
die Auftretenswahrscheinlichkeit einer weiteren Episode, die dann
ebenfalls wieder ein eindeutiges Ende im Sinne des just right
Erlebens braucht. Somit wächst die Abhängigkeit zu diesem Konstrukt
und genau diese wollte ich mit meinem Plan durchbrechen.
Das Skin
Picking bewusst dann zu beenden, wenn das Unvollständigkeitsgefühl
am größten ist, hat mit Konfrontation zu tun, die ich dringend
notwendig habe.
Es ist genau dieses hohe
Anspannungsgefühl, das ich lernen muss, auszuhalten. Wenn ich eine
Skin Picking Episode mit dem Gefühl der Perfektion abschließe wie
es bislang der Fall war, keimt in mir sehr schnell das Gefühl heran,
es kann noch besser werden oder aber auch, es gibt noch andere
Hautstellen, die auch dieser Perfektion bedürfen. Wenn ich aber das
Skin Picking mittendrin durchbreche, kann ich es vielleicht bald
schaffen, die hohen Anforderungen sukzessive zu senken. Dann nehme
ich meine Haut mehr so hin wie sie ist und kann damit leben. Denn
immerhin weiß man ja so ziemlich gut von sich selbst, dass das
Gefühl der Perfektion nur von kurzer Dauer ist, die nächste Episode
kommt sowieso! Dann lieber nach alternativen und neuen
Handlungsmustern schauen, in der Hoffnung, weiterzuwachsen, als sich
immer wieder der gleichen Routine von Handlungen und Gefühlen
hinzugeben!
eure Janika :)"
Also damit werde ich es versuchen, danke. Das ist Gold wert und mehr, als jeder Psychologe mir bis jetzt mitgeben konnte. Du hast das so gut beobachtet, was da chemisch in einem abläuft. Mir kam schon oft der Gedanke in den Sinn, dass es das Gleiche wie eine Drogensucht ist. Wir sind vom Dopamin abhängig, das durch dieses Muster ausgelöst wird. Danke für diesen wertvollen Beitrag!
AntwortenLöschenHallo liebe Jennifer, ich freue mich sehr, dass ich dir ein paar neue Gedanken mit auf deinen Weg geben konnte. Das ehrt mich sehr. Ich hoffe, du kannst die Gedanken sukzessive in deinem Alltag fruchtbar machen, das wäre super! Liebe Grüße, Janika :)
LöschenHallo Jennifer!
LöschenDas ist wirklich ein ganz tolles Feedback an diesen Post und an Janika! Ich freue mich sehr, dass du so viel mitnehmen konntest und wünsche dir damit ganz viel Erfolg!
Liebe Grüße,
Jacqueline