7. Januar 2021

Derma Self Love Club - 11

Hey, ihr Lieben!
 
Wisst ihr, wer sich immer wieder neu mit seinem Skin Picking auseinandersetzt? Wer sich immer wieder neue Gedanken dazu macht und neue Methoden entwickelt, um der Krankheit zu begegnen? Und wer meiner Meinung nach so oft wahnsinnig wertvolle Dinge zu sagen hat? Janika! Sie erzählt euch innerhalb dieser Postserie ganz offen von ihrer eigenen Geschichte mit der Dermatillomanie. Und wenn ihr am letzten Post Gefallen gefunden habt, dann werdet ihr auch diesen Post mögen, denn Janika hat auch eine sehr interessante Methode, die sie euch vorstellen möchte.


"Hallo zusammen! :) 
 
Ich hoffe, es geht euch allen gut! :)
 
Heute möchte ich mit euch eine Strategie teilen, die dafür gedacht ist, das Skin Picking zu kontrollieren. Es ist keine präventive Maßnahme, die eine Episode vorbeugen kann, sondern sie richtet sich an eine bereits ablaufende Episode, die durchbrochen werden soll.
 
Ich habe es bisher einmal geschafft, eine sehr intensive Skin Picking Episode dank dieser Maßnahme zu beenden. Es war auch das erste Mal, dass ich überhaupt darauf zurückgriff, die Idee dazu hatte ich nämlich schon etwas weiter zurück in der Vergangenheit. Ich hatte auch meinen Therapeuten darauf angesprochen und er hielt es für eine sehr wertvolle Strategie, da sie mit einer puren Konfrontation von den typischen Gefühlen der Anspannung verbunden ist und es zum Ziel hat, diese auszuhalten. 
 
Also, was habe ich getan? Bereits einige Wochen zuvor habe ich mir erneut darüber Gedanken gemacht, wie ich es schaffen könnte, eine Skin Picking Episode zu durchbrechen. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber in Momenten des Skin Pickings selbst fällt mir diese Rationalität schwierig. Dann bin ich zu sehr von meinen Emotionen überwältigt, sodass ich von jeglicher Logik abgeschnitten scheine. 
 
Meine Idee war nun die Folgende: Meine Dermatillomanie wird sehr stark von einem „Just-right“-Drang geprägt. Wie viele andere Zwangserkrankte auch, ist dieses Unvollständigkeitserleben an der Tagesordnung: Ein Zwang muss so lange wiederholt werden, bis er sich „richtig“ anfühlt. Es ist eine quälende, innere Unzufriedenheit mit den Zwangshandlungen, wodurch man diese wiederholen bzw. auf lange Zeit fortführen muss. Dieses „Genau-richtig-Gefühl“ ist wie eine zwangsstörungsspezifische Form des Perfektionismus. Beim Skin Picking tritt dieses Gefühl bei mir leider immer erst sehr spät auf. Meistens empfinde ich es erst, wenn die körperliche Erschöpfung hinzukommt. Dann kann ich mich so langsam davon überzeugen, dass es jetzt „genau richtig“ ist und das Gefühl schließt sich mit etwas Glück dieser Meinung dann kurze Zeit später an. 
 
Bei genauerer Reflexion ist mir dann jedoch bewusst geworden, wie sehr ich mich dadurch erneut meiner Erkrankung unterordne. Ich gebe dem Zwang die Verfügungsgewalt darüber, wann es soweit ist, aufzuhören. Nicht ich bestimme das Ende, sondern dieses Unvollständigkeitserleben bestimmt den Abschluss und das obwohl es doch überhaupt nur existieren kann, weil ich existiere. 
 
Somit wollte ich einen Plan entwerfen, wie ich dem Just-right-Erleben zuvorkommen kann. Dafür zeichnete ich mir eine Skizze, die ich unter dem Artikel noch einmal für euch abgebildet habe. Ich habe versucht, zu visualisieren, wie die Anspannungskurve während einer Episode verläuft. Da ist zunächst eine hohe Anspannung, die mich dazu verleitet, überhaupt erst in das Skin Picking abzurutschen. Dann nimmt die Anspannung sofort ab, ich gerate in einen Flow, durchströmt von Glücks- und Entspannungsgefühlen, teilweise so intensiv, dass ich von den Handlungen selbst gar nichts mitbekomme. Irgendwann komme ich dann an einen Punkt, der wie ein kurzes Erwachen ist. Mir wird zum ersten Mal bewusst, dass ich wieder abgerutscht bin. Ich konfrontiere mich mit der unschönen Wahrheit, dass ich wieder mittendrin stecke. Die Anspannung steigt auf ihren maximalen Wert, ich merke, dass ich hier nicht so einfach rauskomme. Ich weiß, dass ich erst mit dem Eintreten des Just-right-Gefühls die Episode abschließen kann. Die Haut wird weiterhin bearbeitet. Irgendwann tritt dann die körperliche Erschöpfung ein, die Anspannung sinkt. Das Just-right-Erleben tritt ein und ich beende die Episode. 
 
Doch nun folgt eine bittere Erkenntnis: Das Gefühl, das Skin Picking jetzt genau richtig ausgeführt zu haben, was sowohl die Intensität, als auch die Dauer betrifft, hält sich nicht lange. Manchmal nur einen Atemzug lang und dann geht es schon wieder weiter. Diesen Teufelskreislauf habe ich erst letztens wieder erlebt, als sich eine Episode über fünfeinhalb Stunden zog. Ich redete mir ein, dass ich es noch besser machen konnte, dass ich das Just right Gefühl noch mehr intensivieren könnte. So als hätte ich viel länger etwas davon, wenn ich es mir intensiver und kraftaufwendiger erarbeite. Ich wollte ein absolutes Hochgefühl erreichen, mit einer Erkrankung, die mich innerlich zerfrisst. Dieses Paradoxon kam mir plötzlich in den Sinn und ich erinnerte mich an meinen Plan, an meine Idee, die ich kurz unter der folgenden Divise zusammenfassen möchte: 
Unperfekt ist perfekt! 
Was meine ich nun damit? 
Ich habe mich selbst dazu gebracht, in einem Moment mit dem Skin Picking aufzuhören, in dem der Drang am stärksten war. Als ich in absoluter Gewissheit war, dass die Episode noch lange andauern würde. Ich erkläre dies einmal mit der Abbildung: Am absoluten Hochpunkt der emotionalen Anspannung habe ich mich aus dem Skin Picking befreit. Ich hatte den Gedanken an meinen Plan, die Kurve vor meinem geistigen Auge und ich erinnerte mich, dass es vielleicht einfacher für mich sein könnte, mit dem Skin Picking aufzuhören, wenn ich mittendrin stecke, wenn ich weiß, dass es weit davon entfernt ist, perfekt zu sein. Dadurch erhoffte ich mir, dass meine Ansprüche auf Perfektion sinken, denn ich wusste, ich habe das Ziel der Perfektion noch nicht gestreift und somit auch noch nicht von ihr gekostet. Ich habe mich, ein ganzes Stück, bevor es zum Just right kommen konnte, vom Spiegel entfernt. Die Gefühle der extremen Anspannung durchfluteten meinen Körper, ich ließ sie zu. 
 
Normalerweise endet eine Skin Picking Episode bei mir mit dem Gefühl, dass die Dauer und Intensität genau richtig waren. Ich empfinde im falschen Bewusstsein meine Handlungen als den Gipfel der Perfektion, als „besser hätte ich es nicht machen können“. Dadurch, dass ich die Handlung abschließe, ihr ein klares Ende zuweise, und mir somit auch noch selbst ein so wertvolles Feedback gebe, intensiviere ich in mir den Glauben, dass mir das Skin Picking guttut. Das eindeutige und von puren Glücksgefühlen durchströmte Ende einer Episode erhöht nur die Auftretenswahrscheinlichkeit einer weiteren Episode, die dann ebenfalls wieder ein eindeutiges Ende im Sinne des just right Erlebens braucht. Somit wächst die Abhängigkeit zu diesem Konstrukt und genau diese wollte ich mit meinem Plan durchbrechen. 
 
Das Skin Picking bewusst dann zu beenden, wenn das Unvollständigkeitsgefühl am größten ist, hat mit Konfrontation zu tun, die ich dringend notwendig habe. 
Es ist genau dieses hohe Anspannungsgefühl, das ich lernen muss, auszuhalten. Wenn ich eine Skin Picking Episode mit dem Gefühl der Perfektion abschließe wie es bislang der Fall war, keimt in mir sehr schnell das Gefühl heran, es kann noch besser werden oder aber auch, es gibt noch andere Hautstellen, die auch dieser Perfektion bedürfen. Wenn ich aber das Skin Picking mittendrin durchbreche, kann ich es vielleicht bald schaffen, die hohen Anforderungen sukzessive zu senken. Dann nehme ich meine Haut mehr so hin wie sie ist und kann damit leben. Denn immerhin weiß man ja so ziemlich gut von sich selbst, dass das Gefühl der Perfektion nur von kurzer Dauer ist, die nächste Episode kommt sowieso! Dann lieber nach alternativen und neuen Handlungsmustern schauen, in der Hoffnung, weiterzuwachsen, als sich immer wieder der gleichen Routine von Handlungen und Gefühlen hinzugeben! 
 
Bleibt stark,
 
eure Janika :)

3 Kommentare:

  1. Also damit werde ich es versuchen, danke. Das ist Gold wert und mehr, als jeder Psychologe mir bis jetzt mitgeben konnte. Du hast das so gut beobachtet, was da chemisch in einem abläuft. Mir kam schon oft der Gedanke in den Sinn, dass es das Gleiche wie eine Drogensucht ist. Wir sind vom Dopamin abhängig, das durch dieses Muster ausgelöst wird. Danke für diesen wertvollen Beitrag!

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    1. Hallo liebe Jennifer, ich freue mich sehr, dass ich dir ein paar neue Gedanken mit auf deinen Weg geben konnte. Das ehrt mich sehr. Ich hoffe, du kannst die Gedanken sukzessive in deinem Alltag fruchtbar machen, das wäre super! Liebe Grüße, Janika :)

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    2. Hallo Jennifer!

      Das ist wirklich ein ganz tolles Feedback an diesen Post und an Janika! Ich freue mich sehr, dass du so viel mitnehmen konntest und wünsche dir damit ganz viel Erfolg!

      Liebe Grüße,
      Jacqueline

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