4. Januar 2021

Gastpost - Part 12

Hey ihr! :) Frohes Neues!
 
Passend zum neuen Jahr habe ich einen ganz wundervollen Beitrag aus der Gastpostserie, in welcher Leser meines Blogs ihre Geschichten mit euch teilen. Ganz freiwillig natürlich! Mehr zum Entstehungshintergrund und Sinn dieser Postserie erfahrt ihr hier.
 
Wie schon gesagt, finde ich die Idee dieses Beitrags total inspirierend und schön und könnte mir daher auch vorstellen, dass es für einige von euch interessant sein könnte. So im Sinne des neuen Jahres, wisst ihr. Mal etwas Neues ausprobieren und neuen Strategien eine Chance geben. Diese Methode finde ich nämlich deshalb so erfrischend, weil sie auf Druck verzichtet und jeden noch so kleinen Erfolg so wunderbar visualisiert. Außerdem lässt sie sich gut abwandeln und an den eigenen Alltag anpassen. Noch dazu ist sie ohne viel Aufwand umsetzbar und wedelt einem die Krankheit nicht so aufdringlich mit einer großen, unübersehbaren Fahne vor's Gesicht, wenn ihr wisst, was ich meine. :D Aber jetzt endlich der entsprechende Beitrag und vorher noch der Aufruf als Einschub.

Vorher möchte ich euch als Betroffene ganz direkt ansprechen: Ihr habt niemanden zum Reden, möchtet aber trotzdem mal euer Herz ausschütten oder Frust rauslassen? Ihr traut euch nicht, selbst an die Öffentlichkeit zu gehen, möchtet aber dennoch, dass eure Geschichte von Menschen gelesen wird? Ihr habt ein paar tolle Tricks und Tipps oder einfach nur liebe Worte für Leidensgenossen, die ihr loswerden wollt? Ein eigener Blog wäre euch zu viel Arbeit, aber einen kleinen Post würdet ihr gerne verfassen? Dann meldet euch gerne bei mir! Schreibt mir eine E-Mail mit dem Betreff "Gastpost" an folgende Adresse: dermatillomanie-blog@web.de. Selbstverständlich dürft ihr auch Bilder mitsenden, wenn ihr das wollt. Ihr könnt dabei entweder von Anfang an namenslos bleiben oder mich darum bitten, euch zu anonymisieren. Ich werde euren Text dann unverändert innerhalb dieser Postserie veröffentlichen, sodass ihr selbst eventuelle Kommentare Anderer dazu lesen könnt.
 
 
"Wertemarkensystem - Eine Methode zur Verhaltensänderung

Das Skin Picking ist ein Verhalten, das wir uns irgendwann im Laufe unseres Lebens „antrainiert“
haben, weil es einen Nutzen für uns hatte. Die meisten Betroffenen beschreiben, dass sie sich
danach entspannter fühlen. Die große Frage ist, wie wir das nun wieder ändern können – wie
mühselig das ist, werden alle wissen, die selbst damit zu kämpfen haben. Auch ich bin immer
wieder auf der Suche nach neuen Methoden, mich davon abzuhalten und habe schon einiges
ausprobiert (vom wirkungslosen anfänglichen Verleugnen des Problems bis hin zum Vermeiden von
Spiegeln). Eine Methode, die mich nun schon länger begleitet und zumindest Teilerfolge erzielen
konnte, ist das sogenannte Wertmarkensystem (token system).

In der Psychologie wird beim Erlernen bestimmter Verhaltensweisen von Konditionierung
gesprochen - jeder kennt den sabbernden Hund Pawlows in der klassischen Konditionierung, der
lernte, dass mit dem Klang einer Glocke das Futter angekündigt wurde. Außerdem gibt es noch die
sogenannte operante Konditionierung, bei der das Verhalten durch das Ergebnis der eigenen
Handlung erlernt wird. Experimentell wird es meist durchgeführt mit einem Nagetier, das in einer
Box sitzt, auf einen Hebel drückt und dadurch Futter bekommt. Hebel drücken >> Futter = Heben
erneut drücken. Skin Picking >> Entspannung = Skin Picking wiederholen. Hat meine Handlung
positive Konsequenzen für mich, werde ich sie wohl wieder ausführen. Diese positive Konsequenz
wird Verstärkung genannt, weil sie das Verhalten verstärkt. Die gute Nachricht: Auch anderes
Verhalten kann verstärkt und so erlernt werden. Nun ist es ja aber leider meist so, dass die
Alternative zum Knibbeln (also dem Skin Picking zu trotzen) sowohl meist schwer, als auch
„nutzlos“ ist in dem Moment. Natürlich hätte es einen langfristigen Nutzen, wenn ich meine Haut
nicht demoliere, ich wünsche mir eben dieses Ergebnis, aber dieses große Ziel in ferner Zukunft
reicht nicht aus, um mich in dem Moment davon abzuhalten. Zu abstrakt, zu unerreichbar, zu
unkontrollierbar. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, meine gewünschten Erfolge in kleine
Teilschritte aufzuteilen und diese zu verstärken.

Am besten funktioniert eine Verstärkung, wenn sie direkt auf das erwünschte Verhalten (Skin
Picking widerstehen) folgt. Wenn ich mich jetzt jedes Mal, wenn ich es geschafft habe, mich
zusammenzureißen, in eine heiße Quelle zur Entspannung beamen könnte, wäre das perfekt, aber
leider etwas unrealistisch. Hier ist ein Wertmarkensystem eine gute Alternative, die in
psychologischen Studien zu guten Ergebnissen führte. Dabei erfolgt eine direkte Verstärkung durch
eine „Wertmarke“, einen Bonuspunkt sozusagen, der am Ende gegen eine echte Belohnung
eingetauscht wird. Die Belohnung gibt es also später, aber ich arbeite kontinuierlich darauf hin und
erreiche kleine Ziele.

So viel zur Theorie, wie sieht das jetzt in der Praxis aus:


Ich habe mir zwei Schälchen gebastelt (geht aber auch mit jeder x-beliebigen Schale), in die die
„Bonuspunkte“ kommen – hier in Form von kleinen Kugeln. In meinem System gibt es insgesamt
40 Punkte. (Angelehnt ist das Design an die Fabel vom Fuchs und den Trauben – der Fuchs hätte
gerne Trauben, kommt aber nicht an sie ran. Am Ende gibt er auf und sagt, er hätte sie eh nie
gewollt, weil er es nicht geschafft hat. Aufgeben ist keine Option, mein Fuchs soll am Ende alle
Trauben bekommen!) In der ovalen Blatt-Schale befinden sich anfangs alle Trauben/Kugeln. Jedes
Mal, wenn ich es schaffe, meine Haut in Ruhe zu lassen, bekommt der Fuchs eine Traube. Im Glas
rechts befindet sich meine Belohnung – ich bin eine Schmuckliebhaberin, deshalb gibt es für mich
meistens kleine Schmuckstücke zu „gewinnen“. Wichtig ist hierbei, dass die Belohnung etwas
lohnenswertes ist, sonst funktioniert es nicht! Für mich sind das neue Ohrringe oder ein kleiner
funkelnder Kettenanhänger, für jemand anderen vielleicht ein kleiner Wochenendausflug oder ein
Besuch des Lieblingsrestaurants. Dafür könnte man sich ja einen kleinen Gutschein neben die
Schalen legen. Das ist zwar nicht zwingend notwendig, es spornt mich aber zusätzlich an, wenn ich
mein Ziel sehen kann.

Nach welchen „Regeln“ ein Bonuspunkt rüberwandert und wann das Ziel erreicht ist, kann jeder
selbst festlegen. Ich passe das gern flexibel an das Ziel und mein Durchhaltevermögen an. Was
bringt eine starre Regel, wenn ich so wenig zu erreichen scheine, dass es mich frustriert und ich es
ganz sein lasse. Bei eher „kleinen Gewinnen“ erlaube ich es mir auch, mein Ziel nach der Hälfte der
Punkte erreicht zu haben, das lege ich dann meist vorher fest.

Ein Beispiel für ein Regelsystem ist Folgendes: Ich kann am Tag maximal 4 Trauben für den Fuchs
erreichen. Meine kritischen Zeiten fürs Skin Picking sind vor allem morgens und abends. Lasse ich
meine Haut morgens völlig in Ruhe, gibt es zwei Punkte. Schaffe ich es nicht ganz, löse mich aber
noch, bevor es eskaliert, gibt es einen Punkt. Kann ich mich gar nicht zügeln, gibt es keinen Punkt.
Das gleiche gilt am Abend. An richtig guten Tagen kann ich also 4 von 40 Punkten „erspielen“!
Wenn das zu einfach ist, kann ich auch mit „Strafpunkten“ arbeiten und bei völliger Eskalation bis
zu 4 Punkte pro Tag verlieren. Das kann andererseits aber auch wieder frustrieren. Ich schaue
einfach jeweils, was mich zur Zeit am meisten motiviert und was vom Gefühl her passt. In richtig
schlechten Zeiten waren auch weitere Bonuspunkte möglich, jedes Mal wenn ich es geschafft habe,
mich vom Knibbeln loszureißen. Hat der Fuchs alle Trauben bei sich, habe ich mir meine
Belohnung verdient und es kann mit neuer Belohnung von vorn starten.

Das System macht für mich die kleinen Teilerfolge sichtbar, die ich sonst sofort wieder vergesse.
Wenn ich glaube, gar nicht voranzukommen, weil mein Hautbild seit Wochen gleich schlecht zu
bleiben scheint, kann ich in mein Schälchen schauen und sehe, dass ich es auch durchaus schon
geschafft habe, zu widerstehen. Und wenn ich meinen Kettenanhänger trage, den ich mir als erstes
mit diesem System erkämpft habe, bin ich richtig stolz auf mich, wenn ich ihn betrachte. Es hat
Wochen gedauert, es waren sehr kleine Schritte, aber es waren Erfolge. Auch wenn es wieder
schlecht läuft, ich werde daran erinnert, dass ich es schon einmal geschafft habe es bergauf gehen
zu lassen. Ich werde es also wieder schaffen.

Vielleicht probiert es noch jemand aus und vielleicht hilft es, ich hoffe es. Ich denke, wir können uns
gegenseitig durch das Teilen unserer Lösungswege unterstützen. :) Und seid dabei nicht zu kritisch
zu euch selbst! Viel Erfolg! Kathrin
"


Vielen herzlichen Dank, dass du diese Methode mit uns geteilt hast! <3 Falls ihr mehr Gastbeiträge lesen wollt, dann schaut beim Label "Eure Geschichten" vorbei!

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