26. Oktober 2022

Zeit für mich

Skin Picking ist für mich manchmal wie eine bizarre Art der Selbstfürsorge. Es ist eine Tätigkeit, ein Zeitfenster und ein mental space, wo ich nur für mich bin. Ich widme mich ganz mir selbst: Meinen Gedanken und Gefühlen (aber nur oberflächlich und erlebend, weniger analysierend und verarbeitend) und meinem Körper. Nichts und niemand kann Teil dieses Aktes sein, nur ich allein. Ich und das Skin Picking verschmelzen und werden eins. Es kann wie ein euphorischer wilder Ritt sein, wenn ich drücke und kratze. Ein wahres Feuerwerk von Emotionen, Gedankenfetzen und körperlichem sowie seelischem Schmerz. Andere Male ist es eher wie ein beflügelnder Wolkenflug. Sanft getragen fliege ich über alles her, was mich sonst im Alltag begleitet und kann mich vollkommen von allem lösen. Wie ein luftleerer Raum, in dem ich nichts fühle oder denke.
 
Das ist doch wahnsinnig interessant, oder nicht? Wie das Skin Picking auch so völlig gegensätzliche Funktionen haben kann oder zu gänzlich unterschiedlichen Zuständen führt. Einerseits kann mir das Skin Picking helfen, mich selbst zu spüren - mehr, als ich es manchmal im Alltag kann. Dann komme ich bei mir an und erde mich. Ich kümmere mich um mich selbst und mache quasi einen Checkup. Das passiert oft, wenn ich nach einem langen Tag oder einer Erledigung nach Hause komme. Andererseits kann das Skin Picking beinahe betäubend wirken, sodass ich endlich mal weniger (starke) Emotionen fühle als sonst. Es erlaubt mir, mich dem Ganzen zu entziehen, was ich sonst nie wirklich schaffe. Auch das kenne ich nur zu gut und führe es gelegentlich sogar absichtlich herbei.

Was ich darüber hinaus aber sagen will: Ich habe vielleicht nie richtig gelernt, wie ich für mich sorgen kann. Und obwohl Skin Picking mir langfristig mehr nimmt als gibt, so ist es doch mein Weg geworden, Selbstfürsorge zu betreiben und mir Zeit für mich zu nehmen. Es ist wie ein Sicherheitsnetz, schließlich ist die Option immer da, meine Haut trage ich stets mit mir herum. Wie will ich mich meinem Trigger und Medium zugleich entziehen? Es geht nicht. Das kann beängstigend oder auch beruhigend sein. Und auch, wenn ich bis heute keinen anderen Weg kenne bzw. beherrsche, um gut zu mir zu sein, so weiß ich dennoch, dass es welche gibt. Eines Tages werde ich in der Lage sein, nur noch auf alternative Wege zurückzugreifen. Dann brauche ich das Skin Picking nicht mehr. Wer weiß? Vielleicht sehe ich es dann nicht mehr als "Zeit für mich", sondern als "Zeit, die ich mir zu leben nehme" oder sowas. Ihr versteht.

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