30. April 2022

Mal wieder ein Statusupdate

Hiii! :)
 
Ich habe neulich reflektiert und gemerkt, dass sich die Art von Beiträgen auf meinem Blog für mein Gefühl ein wenig verändert hat. Sie haben weniger Tagebuch-Charakter, wenn man so will. Ich schreibe allgemeiner, mehr von Erkenntnissen, gedanklichen Impulsen und Themenkomplexen. Es geht immer weniger direkt um mich und wie es mir (mit dem Skin Picking) geht. Deswegen gibt es heute mal ein kleines Statusupdate. Als würden wir uns bei einer Tasse Tee kurz über das Wohlbefinden des Gegenübers unterhalten. Wenn du magst, darfst du also am Ende des Posts mit einem Kommentar (alternativ per Mail) reagieren und mir von dir erzählen: Wie geht es dir zurzeit? Wie kommst du mit dem Skin Picking zurecht? Hast du zuletzt vielleicht Erkenntnisse erlangt, Fortschritte gemacht oder Ähnliches? Und wenn es eher Rückschritte waren, wie bist du damit umgegangen?

Meine Haut ist gefühlt seit laaaanger Zeit im ungefähr gleichen Zustand. Geht besser, aber war auch schonmal schlimmer. Wobei gut... zuletzt gab es eine recht lange Tiefphase mit vielen Entzündungen, Schmerzen und Triggerpotential. Aber ich glaube, dass ich mich inzwischen auch so sehr an die schlimmen Phasen gewöhnt habe, dass ich sie nicht mal mehr richtig als solche wahrnehme. Ich verlebe meine Tage irgendwie und ich drücke mehrmals täglich - mal nur für ein paar Minuten, mal für 15, 20, 30, 40 Minuten. Ich tue schon seit so vielen Monaten kaum bis gar nichts mehr dagegen, weil ich keine Ressourcen dafür übrig habe. Mir fehlt außerdem der geregelte Tagesablauf, eine zumindest grundständige Routine für meine Haut und natürlich auch Motivation. Ich störe mich schon ein wenig an dem Zustand meiner Haut, aber auch nicht zu sehr. Es ist wie es ist, könnte man sagen. Ich habe ja sowieso keinen anständigen Vergleich mehr, da meine Hochphasen lange her sind und irgendwie auch nicht mehr die gleiche Höhe erreichen wie früher einmal. Nur, wenn ich ältere Fotos anschaue, sehe ich einen deutlichen Unterschied, was meine Haut betrifft. Das macht mich dann schon traurig und weckt eine leise Stimme in mir, die sagt, dass sie sich diesen Zustand zurück wünscht. Es ist also nicht so, dass ich meine Situation nicht gerne anders hätte. Langfristig will ich noch genauso sehr frei vom Skin Picking werden wie vor ein paar Jahren. Aber man muss auch einsehen, dass sich Zeiten ändern. Diesbezüglich bin ich sehr gespannt, was die nächsten Jahre alles passiert. Was meine Beschäftigung mit dem Thema anbelangt: Die wird bleiben! Ich werde weiterhin hier und auf Instagram Fotos zeigen, Beiträge schreiben, mit anderen Betroffenen im Austausch sein und und und. Außerdem hoffe ich, dass ich vielleicht hier und da weitere Anfragen für die Öffentlichkeitsarbeit erhalten und wahrnehmen darf. Das fände ich toll! Die Reise geht weiter und eines Tages wird der Zeitpunkt kommen, wo der Weg zur Heilung klar und deutlich vor mir liegt und ich mich mit vollem Bewusstsein und ohne Entschuldigungen dafür entscheide, ihn zu gehen. Bis dahin werde ich mich ihm weiter Stück für Stück annähern.

18. April 2022

(Schön) sein dürfen

In a society that profits from your self doubt, liking yourself is a rebellious act.
 

 
Du und ich, wir haben eins gemeinsam: Wir sind schön. Einfach so. Nicht "trotz" irgendwelcher selbsternannter Makel, aber vielleicht gerade deswegen? Und ihr müsst euch das auch absolut nicht verdienen, ihr seid es. Ihr dürft euch schön fühlen undzwar entweder genau so, wie ihr von Natur aus seid oder mit etwas Schminke, gemachten Haaren und Kleidung, in der ihr euch wohlfühlt. Wenn ihr mit euch im Reinen seid, dann strahlt ihr das auch aus. Wenn ihr eurem Verständnis von Schönheit und Wohlergehen folgt, dann ist alles Wichtige getan.

Ich verstehe, wenn es mitunter schwierig oder herausfordernd sein kann, sich schön zu fühlen. Bevor ich euch einen Alternativvorschlag für den Anfang mache, möchte ich den grundlegenden Hinweis geben, dass sich niemand 24/7 an allen 365 Tagen im Jahr wie ne Modelschönheit fühlt. Es ist normal und in Ordnung, Tage zu haben, wo man sich weniger wohlfühlt - Hauptsache, man ist nachsichtig im Umgang mit sich selbst und akzeptiert diese Tage. Genau das ist der Knackpunkt! Und wenn ihr noch nicht wisst, wie ihr verinnerlichen könnt, schön sein zu dürfen, dann fangt damit an, dass ihr sein dürft. Mit Haut und Haar, im Hier und Jetzt. Alles darf sein. Alles von dem, was ihr mitbringt, hat erst einmal eine Daseinsberechtigung. Ihr dürft sein, ohne, dass ihr euch selbst oder jemand anderes euch bewertet. Ihr müsst euch nicht verstecken. Damit setzt ihr euch nur ungewollt Grenzen, um anderen Menschen gefallen zu wollen und vernachlässigt dabei euer eigenes Wohlergehen. Es ist echt was dran an diesem allseits bekannten Satz, dass man es niemals ALLEN recht machen kann. Aber man kann es sich selbst recht machen und dann bleiben die Personen in eurem Leben, die das akzeptieren und unterstützen und noch dazu die gleichen Werte haben wie ihr. Kann es was Besseres geben?

11. April 2022

Was bedeutet Akzeptanz?

Was bedeutet Akzeptanz? Was steckt für eine Bedeutung hinter dem Begriff? Was bringt dieser Begriff alles mit sich? Was bedeutet Akzeptanz aber auch für dein, mein, unser aller Skin Picking?
 
Nachher ist wieder, wie momentan jeden Montagabend, Selbsthilfegruppentreffen von der SHG Köln. Und beim Gedanken daran fiel mir eine Thematik ein, zu der wir Ende Januar ein wenig in der Gruppe diskutiert hatten und welches auch immer wieder angesprochen wird: Die Akzeptanz. Ein Teilnehmer der Gruppe äußerte sich meiner Erinnerung nach in etwa so, dass sich BFRB's wie Skin Picking und Trichotillomanie mit einem zunehmenden Grad an (echter) Akzeptanz verringern würden, bis sie eventuell sogar ganz verschwinden, sofern man sich selbst und die Krankheit "einfach" vollkommen akzeptiert. Zu diesen Äußerungen hatte ich viele Gedanken, die ich nun auch gern ein wenig mit euch teilen möchte.
 
 
Ich muss zuerst sagen: Ich verstehe, woher dieser Gedankengang kommt und dass es für uns als Betroffene eventuell auch ein Leichtes ist, diese Wenn-dann-Behauptung aufzustellen: "Wenn ich mich nur wirklich akzeptieren kann, dann verschwindet mein Skin Picking/meine Trichotillomanie und ich habe kein Problem mehr damit". Aber kann es echt so einfach sein? Ich weiß nicht... Ich denke schon, dass es für einen heilsamen Weg mit der eigenen BFRB-Erkrankung wichtig und von Vorteil ist, sich in Akzeptanz zu üben (das Thema "Recovery" will ich demnächst nochmal gesondert aufgreifen). Aber beides ist ja nicht als Entweder-Oder zu begreifen, sondern als Spektrum. Wie weit ich auf dem Weg der Heilung bin - das kann alles von 0 bis unendlich sein. Und wie weit meine Akzeptanz mir gegenüber reicht, verhält sich ähnlich. So würde ich das zumindest verstehen. Daher ja klar: Je mehr du dich akzeptierst, desto leichter wird tendenziell auch dein Weg mit dem Skin Picking. Akzeptanz hat einen positiven Einfluss auf so vieles, den man nicht unterschätzen sollte! Außerdem liegen da viele Wechselwirkungen vor: Was wir leichter oder schneller akzeptieren, stört und beschäftigt uns weniger, sodass wir möglicherweise auch weniger zum Skin Picking verleitet werden (Stichwort "Emotionsbewältigung"). Aber für mich steckt in dem eingangs vorgestellten Gedankengang auch eine große Gefahr: Dass Betroffene das Ganze als absolute Gleichung verstehen, so ähnlich, wie ich oben die Wenn-dann-Behauptung formuliert habe. (Selbst-)Akzeptanz = KEIN Skin Picking/Trich. Wer das so versteht, könnte zu hohe Erwartungen entwickeln und wird dadurch früher oder später enttäuscht werden.

Denn für mein Verständnis von der Krankheit stellt dieses Gleichnis alles viel zu einfach dar. Als müsste man "nur" ein paar Bücher zum Thema Akzeptanz lesen, vielleicht ein Seminar dazu besuchen und dann ein paar Tage oder Wochen üben, bis alles an Wissen in Haut und Haar übergegangen ist und zack! - schon sind wir frei von der psychischen Erkrankung und werden auch garantiert keinen Rückfall erleiden, da wir uns ja akzeptieren. Ne ne ne. Für mich persönlich untergräbt das den Krankheitswert von Skin Picking, Trichotillomanie und Co. Auch bei Behauptungen wie "BFRB's sind bloß ein Symptom, keine eigenständige Krankheit" denke ich Ähnliches... Ich verstehe erneut, woher der Gedanke kommt und würde bei der Argumentation sogar teilweise mitgehen, aber dennoch sind und bleiben es für mich eigenständige Erkrankungen, die auch entsprechend behandelt werden müssen. Psychische Erkrankungen sind häufig so unfassbar komplex und je länger sie bestehen und vielleicht auch Hand in Hand mit anderen Krankheiten gehen, desto langwieriger und aufwändiger wird die (therapeutische) Aufarbeitung. Es gibt psychische, bewusste und unbewusste, körperliche, soziale und viele weitere Komponenten, die ein Netz aus Zusammenhängen spinnen und eine vielschichtige Auseinandersetzung erfordern. Es funktioniert nicht wie bei einem Dominospiel: Kaum kippst du den ersten Dominostein um, fällt die ganze Reihe an Dominosteinen ohne weiteren Aufwand. Wenn es so einfach wäre, würde ich denken, dass viele von uns schon längst über den Berg wären.
 
Ich leide seit 12 Jahren an Skin Picking und seit ca. 9 Jahren ist es mir auch ein Begriff, d.h. so lange setze ich mich mal mehr und mal weniger damit auseinander. Ich würde behaupten, dass ich ziemlich weit bin, was Akzeptanz und Offenheit angeht und nun die Frage: Bin ich deswegen weniger betroffen oder gar geheilt? Mhhhh, nicht wirklich. Aber ich empfinde es als wichtigen, ja sogar unverzichtbaren Baustein auf dem Weg zur Heilung! Alleine reicht es meiner Meinung nach aber nicht.

Was denkt ihr dazu? Schreibt es mir gerne in die Kommentare oder in eine Mail - ganz, wie ihr wollt. Offener Austausch ist bei mir immer willkommen, das wisst ihr. :)

3. April 2022

Wie Mobbing mich stark gemacht hat

Hey, ihr da draußen. Ich hoffe, euch geht es aktuell den Umständen entsprechend gut und ihr habt heute etwas Zeit mitgebracht, denn die werdet ihr brauchen.
 
Ich möchte mich mit diesem Post einer Thematik annehmen, die aufgrund persönlicher Erlebnisse in Verbindung mit meinem Skin Picking steht. Daher liegt es mir sehr am Herzen, darüber zu schreiben. Ich wusste lange nicht, wie oder dass ich überhaupt etwas dazu schwarz auf weiß abtippen möchte. Jedoch hat sich in letzter Zeit das Bedürfnis verstärkt, darüber zu berichten. Außerdem wartet eine kleine Fotoserie seit genau einem Jahr (!) darauf, endlich von euch gesehen zu werden und ich finde, sie könnte in keinen anderen Post so gut passen wie in diesen. Trotzdem weiß ich nicht, wie ich den folgenden Inhalt strukturieren möchte bzw. werde, deshalb seht es mir nach, wenn ihr keine Struktur erkennt. Mir ist es wichtiger, meine Gedanken und Gefühle rauzulassen und zu einer kleinen Geschichte zu bündeln. Was euch vielleicht helfen könnte, ist dieser Post aus dem Jahr 2015, denn heute möchte ich daran anknüpfen. Vielleicht wiederholen sich auch ein paar Aspekte, aber das bleibt wohl nicht aus.

Genug der Vorrede. Ich kann es einfach nicht lassen, entschuldigt.

Also: Der Beitragstitel lautet "Wie Mobbing mich stark gemacht hat". Falls sich hier Fragezeichen für euch bilden, dann hoffe ich, dass sie zum Ende des Beitrags aufgeklärt sind. Denn ja: Mobbing macht im ersten Moment alles andere als stark und das habe ich viele Jahre meines Lebens erfahren. Ich spreche gar nicht mal so oft darüber und so, wie ich mich in den folgenden Zeilen öffnen werde, habe ich das noch nie so richtig getan. Doch bevor ich niederschreibe, wie und wieso mich Mobbing stark gemacht hat, möchte ich meine persönlichen Erfahrungen teilen. Bitte lest den Beitrag nur, wenn ihr mit dem Thema umgehen könnt!

Meine Geschichte:
Mobbing ist etwas unfassbar Schreckliches. Ich könnte hier jetzt mit Zahlen, Fakten und Statistiken zum Thema jonglieren, aber darauf möchte ich verzichten, denn ich fokussiere mich auf meine ganz persönliche Geschichte damit. Etwas, was sich so nicht schnell googlen lässt und dem Ganzen ein Gesicht gibt. Ich weiß, dass auch so viele andere Kinder, Jugendliche und Erwachsene von Mobbing betroffen waren und sind, aber ich kann nur meine eigene Geschichte erzählen. Die fing bereits im Kindergarten und in der Grundschule an. Irgendwie bin ich schon immer ein wenig angeeckt, war vielleicht ein "schwieriges" Kind, keine Ahnung. Aber ich war ein selbstsicheres, extrovertiertes Kind und daran haben auch die frühen Hänseleien erst einmal nichts geändert. Bestimmt fand ich es manchmal blöd, wie mit mir umgegangen wurde und wenn ich mich recht entsinne, kamen erste Gefühle des "Außenseiter-Seins" in dieser Zeit zum Vorschein. Neben dem Kindergarten bzw. der Grundschule wurde mir aber auch im privaten Umfeld immer mal wieder gezeigt, dass ich nicht (so sehr wie xy) gemocht werde und es ohne mich einfacher sei. Ich denke, zu dieser Zeit glaubte ich noch nicht an eine Bösartigkeit oder Absicht hinter dem Ganzen, sondern nahm es hin und hielt es eventuell sogar für normal. Dass ich - egal, wo ich war - Anschlussschwierigkeiten hatte, war mir sicherlich auch nicht wirklich in der Gänze bewusst. Ich erinnere mich noch ganz genau, wie ich in der Anfangszeit, als ich in die Grundschule kam, ständig alleine umhergegangen bin oder auf einem Stein gesessen, mein Pausenbrot gegessen und die anderen Kinder beobachtet habe. Mit mir wollte vorerst keiner spielen und das kam gewiss auch dadurch, dass ich parallel vom Wechsel Kindergarten zu Grundschule den Wohnort gewechselt habe, weil sich meine Eltern getrennt haben. Der erste Kontakt, den ich machte, sollte nicht von Dauer sein, denn dieses Mädchen zog sehr bald weg und schon war ich wieder allein. Später schloss ich so etwas wie Freundschaften, aber die Hänseleien und Anschlussschwierigkeiten hörten nie auf. Immer wieder wurde sich über mich lustig gemacht, immer wieder wurde ich ausgeschlossen, immer wieder geärgert. Es waren natürlich nichtige und bescheuerte Dinge, aber das versteht man in dem Alter noch nicht. Kinder sind halt manchmal fies.

Auf der weiterführenden Schule ging es eigentlich erst richtig los. Neben der Tatsache, dass ich über die ganze Schulzeit hinweg eigentlich keine echten und tiefen Freundschaften erlebt habe, haben sich in den ersten Jahren einige Jungs nen Spaß daraus gemacht, mich auf den Arm zu nehmen und mit meinen kindlichen/pubertären und naiven Gefühlen zu spielen..... Verdammt, wisst ihr, das habe ich so noch nirgends geäußert, sondern immer für mich behalten, weil es mir stets peinlich war und vielleicht auch heute noch ein wenig ist. Als Erwachsene lache ich darüber, was damals passiert ist, aber als Mädchen hat es sich so angefühlt, als wäre die Welt gegen mich und als wüsste jeder, wie lächerlich ich sei. Die echten Vertrauensbrüche kamen aber eigentlich erst, als sich (mehrmals) vermeintliche Freunde und Freundinnen von mir abwanden und danach über mich herzogen. Ich konnte also nirgends richtig Halt finden und falls doch, so wusste ich, dass es nicht von Dauer sein würde. Ich hegte stetig größeres Misstrauen und blieb irgendwie permanent Einzelgänger in der Schule. Selbst in den Momenten, wo andere Klassenkameraden, die es nicht auf mich abgesehen hatten, um mich herum waren, fühlte ich mich oft einsam und nicht dazugehörig. Stattdessen fühlte ich mich durchgehend ausgeschlossen, nicht gemocht, komisch, anders und vieles mehr. Früh flüchtete ich mich unter anderem aus diesem Grund ins Internet (zumindest auf Seiten, wo keine Personen aus meinem Umfeld waren), wo ich zum ersten Mal liebe Menschen kennenlernte, von denen ich ein paar wenige tatsächlich sogar bis heute als wahre und wertvolle Freunde in meinem Leben wissen darf. Aber das ist ein anderes Thema, denn der Fokus dieses Posts liegt auf dem, was ich in der Schulzeit vor Ort erlebt habe.

Bis hierhin kann man aber vielleicht noch nicht von Mobbing im eigentlichen Sinne sprechen, ich weiß. Das kam erst ein wenig später - ich weiß schon gar nicht mehr genau, wann oder wieso es anfing... Ich denke, die entsprechenden Mitschüler haben einfach gemerkt oder gewusst, dass ich ein gutes Opfer bin und das war ich ehrlich gesagt auch. Zu dieser Zeit war ich schon längst nicht mehr meinem Naturell entsprechend: Selbstbewusstsein weg, Unsicherheit in voller Blüte da. Die Gründe dafür waren vielfältig und lagen im schulischen, privaten/familiären und auch aussehensbezogenen Kontext. Ungefähr zu dieser Zeit begannen meine Hautprobleme und bald darauf auch mein Skin Picking. Außerdem war die Pubertät in vollem Gange, das wollen wir auch nicht vergessen. Jedenfalls wurde ich aufgrund mehrerer Dinge gemobbt: Wegen meiner Haut und meinem Aussehen; wegen meiner Schminke; wegen meines Gewichts; wegen der Tatsache, dass ich keine Freunde hatte etc. Ich konnte es keinem recht machen, die nörgelnden und beleidigenden Stimmen mir gegenüber wurden beständig häufiger und lauter. Irgendwann fing es an, dass sich Gruppen von Mitschülern (auch aus Nachbarsklassen usw.) zusammentaten, um mich gemeinsam fertigzumachen oder dass sich lautstark über mich lustig gemacht wurde. Ich erinnere mich explizit an einige Situationen aus einer Zeit, wo wir damals während der Pausen in den Klassenräumen bleiben durften. Das tat ich gern, weil ich keine Freunde hatte und mich draußen auf dem Schulhof nicht "entblößen" wollte, wenn ich da alleine herumlaufe. Im Klassenraum fühlte ich mich (eigentlich) sicher und ungesehen. Leider blieben auch die Mitschüler im Raum, die es sich irgendwie zum Hobby gemacht hatten, mich zu mobben. Gemeinsam in der großen Gruppe ließen sie sich über mich aus, beleidigten mich mit lauten Sprüchen, Witzen und anschließendem Gelächter. Alle gegen einen. Ich weiß schon gar nicht mehr, ob außer mir und diesen Mitschülern noch andere Personen im Raum waren, denn eingeschritten ist niemand. Ich war allein und versuchte so gut es ging, das Ganze zu ignorieren, was durchaus schwer war, wenn es bis draußen in die Gänge hörbar war, wie mich die Gruppe schikanierte. Genauso gut wie die beleidigenden Sprüche aus dieser Zeit hat sich auch eine andere Situation in einem ganz anderen Setting in mein Gedächtnis gebrannt. Hier habe ich im Flur/Hallenbereich auf das Ende der Pause und den Beginn des Unterrichts gewartet, als ein schöner, großer Mülleimer mitsamt Inhalt auf mich geworfen wurde und mit der Öffnung nach unten auf meinem Kopf gelandet ist, sodass sich der Müll zum Gelächter der Anderen auf mir entleerte. Zum Glück war dies das einzige Erlebnis dieser Art, aber es ist dennoch unvergesslich geblieben.

Es wird nicht verwunderlich sein, wenn ich euch sage, dass ich nicht mehr gern in die Schule gegangen bin, sondern jeden Morgen Bauchweh deswegen hatte. Die Schule war eigentlich ein Ort, den ich mochte, weil ich dort kontrolliert gute Leistungen erbringen konnte und mich für den Unterricht interessierte. Der Unterricht blieb auch lange Zeit der einzige "Safe-Space" für mich - eine Phase, in der ich mich höchstens mit den Tischnachbarn rumschlagen musste und den Rest der Zeit auf die Inhalte konzentrieren konnte. Aber die Pausen waren umso schlimmer für mich. Irgendwann wurden die Pausen so unerträglich, dass ich mich in jeder einzelnen Pause im Mädchenklo eingeschlossen und gewartet habe, bis der Unterricht wieder begann. Dort war ich keinen abfälligen Blicken, keinen Beleidigungen, keinem Getuschel und keinen Mobbereien ausgesetzt. Der Preis für diese Sicherheit war ein erhöhtes Gefühl von Einsamkeit. Ich zog mich immer mehr zurück, glaubte auf kurz oder lang alles an Beleidigungen und Kommentaren, die man mir unentwegt sagte, wurde dadurch noch unsicherer als eh schon und war einfach nur noch unglücklich. Ich weinte zuhause viel, wenn es niemand mitbekam und wünschte mir innerlich nichts sehnlicher als einen Neuanfang auf einer anderen Schule. Oft stellte ich mir die Frage "Wieso ich?" und meine Antwort auf diese Frage wurde das, was mir von außen schon all die Jahre gespiegelt wurde: Du bist nicht genug. Du bist hässlich. Du bist falsch. Niemand mag dich. Du hast es nicht anders verdient. Du bist komisch. Du passt hier nicht rein. Es wäre einfacher, wenn du nicht hier wärst.

Daraus entwickelte sich ein starker Selbsthass. Ich war mir selbst nichts wert und fühlte mich wie ein Monster, das den Platz hier auf der Erde zu unrecht einnimmt. Die ganze Negativität von außen, die bis dato so viel Raum in meinem alltäglichen Leben eingenommen hat, bahnte sich ihren Weg in mein Inneres, also mein Unterbewusstsein, und machte mich innerlich Stück für Stück kaputt, ohne, dass ich wusste, wie mir geschieht. Auf jeden Fall steht das in direktem Zusammenhang mit meiner Haut und meinem Skin Picking, den ich euch nun erklären möchte. Ich war gefühlt die Einzige in meinem Umfeld, die mit Pickeln bzw. Akne zu kämpfen hatte. Das befeuerte meine Unsicherheit und da ich die einzige von Akne betroffene Person weit und breit war, fühlte ich mich einmal mehr darin bestätigt, komisch und anders zu sein oder vielleicht auch etwas grundlegend falsch zu machen. Daher hatte ich ein großes Bedürfnis danach, mich zu verstecken und auch das, was ich mir mit meiner Dermatillomanie antat, sollte bloß von niemandem gesehen werden. Ich wusste ja sehr gut, wie es war, gemobbt zu werden und wollte daher um keinen Preis, dass es einen weiteren Grund gab, mich anzugreifen. Ich fühlte mich sowieso schon verletztlich genug. Daher verwendete ich viel Schminke, meidete alle Unternehmungen und Anlässe, wo man meine Haut sehen konnte und trug ausschließlich Kleidung, die alle betroffenen Stellen verdeckte. Es war Einschränkung pur und half nicht mal wirklich, denn danach wurde meine Schminke zum Angriffspunkt für das Mobbing... Trotzdem war es der einzige Weg, um mich halbwegs wohl zu fühlen. Besser wurde ich wegen meiner Schminke gemobbt als wegen eines Verhaltens, das ich selbst nicht verstand und zutiefst verabscheute. Dass ich mich damit zwar kurzfristig schützte, aber langfristig nicht glücklich mit dieser Strategie werden würde, habe ich vorerst nicht gemerkt. Genauso blind war ich aber auch für die Konsequenzen meiner von Selbsthass getriebenen Skin-Picking-Episoden. Auch, wenn in der Forschung heutzutage strikt zwischen selbstverletzendem Verhalten und Skin Picking unterschieden wird, so war es für MICH damals primär eine Art des selbstverletzenden bzw. autoaggressiven Verhaltens, welches alles eigentlich nur noch schlimmer gemacht hat. Ich habe meine Dermatillomanie auf die Spitze getrieben, um mich zu bestrafen, weil ich davon überzeugt war, ich selbst sei der Fehler und hätte nichts Besseres verdient. Ich hasste mich. Ich konnte mein Aussehen, mein Leben und mein Skin Picking nicht akzeptieren. Zu dieser Zeit wusste ich, wenn ich mich nicht täusche, aber noch gar nicht, dass ich an Skin Picking leide. Als ich das jedoch mit Mitte 15 erfuhr, empfand ich ein großes Gefühls- und Gedankenchaos. Sehr prominent waren Gedanken wie "Oh mein Gott, ich bin ernsthaft krank, wusste ich doch, dass mit mir etwas nicht stimmt" und Gefühle der Art, dass ich mich noch ekliger, abstoßender, einsamer, komischer und noch weniger liebenswert fühlte.

Zurück zum Mobbing: Irgendwann in der neunten oder zehnten Klasse ließ das starke und tägliche Mobbing nach und ich fand so etwas wie eine Freundesgruppe. Für den Moment war das okay, aber als das Abi näherrückte (ich war ein G8-Kind), erkannte ich endlich, dass es eigentlich nur Zweckfreundschaften waren und ich mich dort ebenso nie richtig zugehörig fühlte. Auch während des Abis verfolgten mich Momente wie der, dass ich inmitten plaudernder Mitschüler sitzen konnte, mich aber alleine wie eh und je fühlte, weil sich keiner mit MIR unterhielt. So kam es zum Beispiel, dass ich einfach aufgestanden und weggegangen bin, um mich alleine woanders hinzusetzen und meine Ruhe zu haben. Im Gegensatz zur Mittelstufe hatte ich hier kein Problem mehr damit, alleine zu sein und zu wissen, dass Mitschüler das sehen. Es gab kein Getuschel, keine Mobbereien oder Ähnliches mehr, aber eins ist nie verschwunden: Das Gefühl, ein Außenseiter zu sein, der nicht dazugehört und nicht richtig gemocht, verstanden oder geschätzt wird. Ich glaube, dass meine Mitschüler aufgrund der vergangenen Jahre einfach auch ein gewisses Bild von mir hatten, aus dem ich nicht mehr ausbrechen konnte. Ich blieb stets in dieser Abseitsposition gefangen und viele wollten nach wie vor nichts oder nur möglichst wenig mit mir zu tun haben. Auf meinem Abiball wiederholte sich ein letztes Mal etwas, was ich meine Schulzeit über schon oft genug erlebt hatte: Vermeintliche Freunde (ein Teil der eben erwähnten Freundesgruppe) ließen mich im Stich und ignorierten mich. Gott, ich war so froh, als die Schulzeit vorbei war und ich endlich eine Art Neuanfang wagen konnte, wo ich auf Menschen treffen durfte, die mich vorurteilsfrei kennenlernen konnten. Mit dem Kapitel der Schulzeit schloss sich auch gleichzeitig mein persönliches Kapitel mit dem Mobbing, was bis dahin schon mehr als 10 Jahre umfasste. Danach habe ich nie wieder solche Erfahrungen gemacht.

Mir ist eins zum Abschluss meiner Geschichte besonders wichtig zu sagen: Ich habe all diese Zeilen nicht geschrieben, um Mitleid erregen zu wollen; in meinem Alltag denke ich nicht mal mehr an diese Erfahrungen, weil sie gefühlt ein halbes Leben entfernt sind. Ich will euch nur Einblicke in das geben, was mir in meiner Schulzeit widerfahren ist. Außerdem möchte ich (das folgt gleich) darauf aufbauend mit euch teilen, was ich daraus später im Leben gemacht habe, denn das ist doch das wirklich Wichtige. Mein Umgang damit ist nicht immer bewusst gewesen, aber jetzt, wo ich im Nachhinein darüber so explizit schreibe, kann ich das reflektieren.

Was ich gelernt oder erkannt habe und mit euch allen teilen will:
  • Ich kann seit einigen Jahren mit voller Überzeugung sagen: Ich habe den Menschen verziehen, die sich nie bei mir entschuldigt haben und nie Reue für ihr Verhalten gezeigt haben. Ich wünsche ihnen von Herzen, dass sie heute ein besseres Leben führen, wo sie glücklich mit sich sind und gut mit ihren Mitmenschen umgehen. Mindestens genauso wichtig ist aber, dass ich auch mir selbst verziehen habe.
  • Ich weiß heute, dass es nie an mir lag und ich nie falsch gewesen bin, sondern dass es ein Problem war, was ganz und gar den Mobbern selbst gehörte und genau deswegen kann ich ihnen heute nicht mehr böse sein.
  • Ich bin sogar dankbar, dass ich diese Erfahrungen gemacht habe, denn dadurch bin ich der Mensch geworden, der ich heute bin. Cheesy, aber wahr. Damals war es für mich die Hölle auf Erden und ich wollte (u.A.) deswegen nicht mehr sein, aber ich bin noch da und heute ist es meine Stärke geworden. Heute könnte mich niemals mehr jemand mobben und wenn ich Mobbing direkt mitbekommen sollte, würde ich dafür sorgen, es zu beenden. Die Mobber haben auf lange Sicht genau das erwirkt, was sie NICHT wollten: Sie haben mich dazu gebracht, zu wachsen und stärker sowie selbstsicherer zu sein. Das Mobbing war im Nachhinein die Kraftquelle für meine Stärke und mein Selbstbewusstsein. Wenn es nicht gewesen wäre, wer weiß, ob ich dann jemals gelernt hätte, so zu mir zu stehen wie ich es heute tue? Kompromisslos.
  • Ich werde wohl immer ein Außenseiter-Typ bleiben, aber ich habe damit Frieden gefunden und will nie wieder erzwingen, dazuzugehören. Ich fühle mich wohl damit, dass nur wenige Personen mich als Menschen sehen und verstehen. Ich muss nicht von allen und auch nicht von vielen gemocht werden. Trotzdem weiß ich jetzt, woher z.B. mein erster Flucht-/Versteckimpuls kommt, wenn ich heutzutage Menschen aus meiner Schulzeit begegne. Ich glaube, den werde ich nie wieder los, aber die verständnisvolle Jacqueline in mir sagt dann all solche bestärkenden Dinge wie das, was ich euch eben abgetippt habe und dann weiß ich, dass ich nicht weglaufen oder mich verstecken brauche, sondern Raum einnehmen darf und Wert habe. Das ist nur eine der Konsquenzen in meinem Verhalten und Denken, es gibt da noch ein paar mehr, auf die ich nicht näher eingehe an dieser Stelle.

Messages, die sich an andere Betroffene von Mobbing (oder ähnlichen unschönen Erlebnissen) sowie an die (potentiellen) Mobber richten:
  • The best comeback is letting them see that your growth is stronger than their sabotage. Das finde ich ein sehr treffendes Zitat, wobei ich den Fokus umlenken wollen würde: Ihr habt es absolut nicht nötig, irgendeiner anderen Person (erst recht nicht den Mobbern) etwas zu beweisen oder es ihnen "heimzuzahlen". Die einzige Person, die sich dieser Tatsache bewusst sein sollte, seid ihr selbst.
  • Obwohl ich davon gesprochen habe, dass ICH MEINEN Mobbern verziehen habe, möchte ich trotzdem etwas sagen: Für all diejenigen Betroffenen, die auch lange nach solchen Erlebnissen mit den Konsequenzen kämpfen und denen ein kleines Fragment ihrer selbst für immer weggenommen wurde, ist es unverzeihlich und wird nie verjähren. Nie. Während sich die Mobber von früher bestenfalls weiterentwickeln, dazulernen, ändern und ihre Fehler einsehen (was ihr Verhalten nicht nachträglich rechtfertigt oder wiedergutmacht), ist es für Betroffene von Mobbing meistens mit viel mehr Zeit und Kraftanstrengung verbunden, die Erfahrungen aufzuarbeiten. Das ist die Ungerechtigkeit des Ganzen.
  • Seid also trotz meiner individuellen Lektionen aus dem Ganzen stets vorsichtig mit dem, was ihr sagt und wie ihr euch gegenüber euren Mitmenschen verhaltet: Manche Personen werden ihr Leben lang nicht mehr darüber hinwegkommen. Und das zeigt nicht, wie "schwach" diese Menschen sind, sondern wie stark eure Worte wirken. Egal, ob ihr euch dessen nicht bewusst gewesen seid.

Hiermit sind wir am Ende des Beitrags angekommen - naja.... fast! Denn ich hatte ja Bilder versprochen und die möchte ich nun mit euch teilen. Erinnert ihr euch noch an mein Herzensprojekt? Davon habe ich gewissermaßen eine Fortsetzung verwirklicht. Bevor ich euch die Aufnahmen davon zeige, möchte ich mich allerdings von Herzen dafür bedanken, dass ihr tatsächlich bis hierhin gelesen und mir bzw. diesem wichtigen Thema eure Aufmerksamkeit geschenkt habt! Die Welt braucht kein Mobbing. Die Welt braucht Liebe.