11. April 2022

Was bedeutet Akzeptanz?

Was bedeutet Akzeptanz? Was steckt für eine Bedeutung hinter dem Begriff? Was bringt dieser Begriff alles mit sich? Was bedeutet Akzeptanz aber auch für dein, mein, unser aller Skin Picking?
 
Nachher ist wieder, wie momentan jeden Montagabend, Selbsthilfegruppentreffen von der SHG Köln. Und beim Gedanken daran fiel mir eine Thematik ein, zu der wir Ende Januar ein wenig in der Gruppe diskutiert hatten und welches auch immer wieder angesprochen wird: Die Akzeptanz. Ein Teilnehmer der Gruppe äußerte sich meiner Erinnerung nach in etwa so, dass sich BFRB's wie Skin Picking und Trichotillomanie mit einem zunehmenden Grad an (echter) Akzeptanz verringern würden, bis sie eventuell sogar ganz verschwinden, sofern man sich selbst und die Krankheit "einfach" vollkommen akzeptiert. Zu diesen Äußerungen hatte ich viele Gedanken, die ich nun auch gern ein wenig mit euch teilen möchte.
 
 
Ich muss zuerst sagen: Ich verstehe, woher dieser Gedankengang kommt und dass es für uns als Betroffene eventuell auch ein Leichtes ist, diese Wenn-dann-Behauptung aufzustellen: "Wenn ich mich nur wirklich akzeptieren kann, dann verschwindet mein Skin Picking/meine Trichotillomanie und ich habe kein Problem mehr damit". Aber kann es echt so einfach sein? Ich weiß nicht... Ich denke schon, dass es für einen heilsamen Weg mit der eigenen BFRB-Erkrankung wichtig und von Vorteil ist, sich in Akzeptanz zu üben (das Thema "Recovery" will ich demnächst nochmal gesondert aufgreifen). Aber beides ist ja nicht als Entweder-Oder zu begreifen, sondern als Spektrum. Wie weit ich auf dem Weg der Heilung bin - das kann alles von 0 bis unendlich sein. Und wie weit meine Akzeptanz mir gegenüber reicht, verhält sich ähnlich. So würde ich das zumindest verstehen. Daher ja klar: Je mehr du dich akzeptierst, desto leichter wird tendenziell auch dein Weg mit dem Skin Picking. Akzeptanz hat einen positiven Einfluss auf so vieles, den man nicht unterschätzen sollte! Außerdem liegen da viele Wechselwirkungen vor: Was wir leichter oder schneller akzeptieren, stört und beschäftigt uns weniger, sodass wir möglicherweise auch weniger zum Skin Picking verleitet werden (Stichwort "Emotionsbewältigung"). Aber für mich steckt in dem eingangs vorgestellten Gedankengang auch eine große Gefahr: Dass Betroffene das Ganze als absolute Gleichung verstehen, so ähnlich, wie ich oben die Wenn-dann-Behauptung formuliert habe. (Selbst-)Akzeptanz = KEIN Skin Picking/Trich. Wer das so versteht, könnte zu hohe Erwartungen entwickeln und wird dadurch früher oder später enttäuscht werden.

Denn für mein Verständnis von der Krankheit stellt dieses Gleichnis alles viel zu einfach dar. Als müsste man "nur" ein paar Bücher zum Thema Akzeptanz lesen, vielleicht ein Seminar dazu besuchen und dann ein paar Tage oder Wochen üben, bis alles an Wissen in Haut und Haar übergegangen ist und zack! - schon sind wir frei von der psychischen Erkrankung und werden auch garantiert keinen Rückfall erleiden, da wir uns ja akzeptieren. Ne ne ne. Für mich persönlich untergräbt das den Krankheitswert von Skin Picking, Trichotillomanie und Co. Auch bei Behauptungen wie "BFRB's sind bloß ein Symptom, keine eigenständige Krankheit" denke ich Ähnliches... Ich verstehe erneut, woher der Gedanke kommt und würde bei der Argumentation sogar teilweise mitgehen, aber dennoch sind und bleiben es für mich eigenständige Erkrankungen, die auch entsprechend behandelt werden müssen. Psychische Erkrankungen sind häufig so unfassbar komplex und je länger sie bestehen und vielleicht auch Hand in Hand mit anderen Krankheiten gehen, desto langwieriger und aufwändiger wird die (therapeutische) Aufarbeitung. Es gibt psychische, bewusste und unbewusste, körperliche, soziale und viele weitere Komponenten, die ein Netz aus Zusammenhängen spinnen und eine vielschichtige Auseinandersetzung erfordern. Es funktioniert nicht wie bei einem Dominospiel: Kaum kippst du den ersten Dominostein um, fällt die ganze Reihe an Dominosteinen ohne weiteren Aufwand. Wenn es so einfach wäre, würde ich denken, dass viele von uns schon längst über den Berg wären.
 
Ich leide seit 12 Jahren an Skin Picking und seit ca. 9 Jahren ist es mir auch ein Begriff, d.h. so lange setze ich mich mal mehr und mal weniger damit auseinander. Ich würde behaupten, dass ich ziemlich weit bin, was Akzeptanz und Offenheit angeht und nun die Frage: Bin ich deswegen weniger betroffen oder gar geheilt? Mhhhh, nicht wirklich. Aber ich empfinde es als wichtigen, ja sogar unverzichtbaren Baustein auf dem Weg zur Heilung! Alleine reicht es meiner Meinung nach aber nicht.

Was denkt ihr dazu? Schreibt es mir gerne in die Kommentare oder in eine Mail - ganz, wie ihr wollt. Offener Austausch ist bei mir immer willkommen, das wisst ihr. :)

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