10. Dezember 2021

Was geben uns Selbsthilfegruppen?

Hey ihr! Ich hoffe, ihr seid gut in den Winter gekommen und habt inzwischen vielleicht sogar den ersten Schnee erlebt! Die vorweihnachtliche Zeit ist in vollem Gange und ich wünsche euch, dass ihr sie genießen könnt.
 
Seit der Konferenz Anfang Oktober (klick) sind so viele schöne Entwicklungen im BFRB-Universum zu beobachten - gerade im Bereich Selbsthilfe und Selbsthilfegruppen. Das möchte ich zum Anlass nehmen, diesen Post zu schreiben. Ein netter Nebeneffekt wäre natürlich, wenn ich euch das Konzept einer Selbsthilfe schmackhaft machen kann, sodass ihr es selbst mal ausprobiert, falls ihr das bisher noch nicht gemacht habt. Denn hinterher kann man immer noch sagen, dass es nichts für einen war!

Aber gut, erst einmal zu den Entwicklungen, die wir als Community zu verzeichnen haben und die mehr als willkommen geheißen werden: Es gibt nach und nach immer mehr Selbsthilfegruppen!! Vielleicht wisst ihr, dass die SHG Köln mit dem Gründungsjahr 2010 die erste ihrer Art in ganz Deutschland war. Lange Zeit passierte wenig und bis vor ein paar Jahren konnte man die bundesweiten Selbsthilfegruppen an einer Hand abzählen... Ein Paradebeispiel der schlechten Situation rund um BFRB's in Deutschland. Man konnte von Glück sprechen, wenn man in machbarer Entfernung dieser wenigen Gruppen wohnte. Corona hat das Argument der Entfernung durch Online-Treffen zwar gewissermaßen ausgehebelt, aber das soll eben nicht für immer so bleiben. Trotzdem denke ich, dass die Konsequenzen der Pandemie wesentlich dazu beigetragen haben, dass sich nun immer mehr Gruppen zusammenfinden, um einander Halt zu geben. Wie gesagt brachten nicht zuletzt unsere BFRB-Tage und auch die wertvolle Arbeit von Christina Gallinat auf Instagram mehrere Steine ins Rollen. Inzwischen sind es so viele Gruppen geworden, dass sogar eine kleine Liste zusammengekommen ist. Schaut hier auf Christinas Webseite gerne mal nach, ob in eurer Nähe eine Selbsthilfegruppe vorhanden oder in Gründung ist. Und ich bin mir sicher, dass es nicht bei den aufgelisteten Städten bleiben wird, sondern dass da noch mehr hinzukommen werden!

Jetzt zu der eigentlichen Frage, die ich in diesem Post mit Inhalt füllen möchte: Was geben uns Selbsthilfegruppen? Wie können sie helfen?

1. Betroffene lernen zu allererst, das Thema zum Thema zu machen. Sie erleben, wie andere Menschen darüber sprechen und sie selbst beginnen, darüber zu sprechen. Viele Betroffene öffnen sich in diesem geschützten Rahmen sogar zum ersten Mal überhaupt und merken, dass ihnen dadurch nichts Schlechtes widerfährt. Dadurch ist es möglich, dass Scham Stück für Stück abgebaut wird.

2. Betroffene fühlen sich verstanden. Sie verstehen die Krankheit (mehr und mehr) und lernen dadurch, die Krankheit und sich selbst besser zu akzeptieren, weil sie sehen, dass die anderen Gruppenteilnehmer auch nur normale und sehr liebenswerte Menschen sind. Es gibt einige Aha-Momente, weil viele Mythen rund um das Krankheitsbild, die einen vielleicht schon länger begleiten, aufgelöst werden. Die Treffen ermöglichen, am Thema dranzubleiben und erschaffen Gelegenheiten, etwas für sich selbst zu tun, indem neue Erkenntnisse gewonnen und im eigenen Leben integriert werden.

3. Betroffene fühlen sich unterstützt in der Community und auf ihrem eigenen Weg mit dem Skin Picking. Plötzlich ist keiner mehr allein oder komisch, sondern es gibt einen starken Zusammenhalt, Tipps, Empfehlungen und Informationen und zwar von Leidensgenossen und Experten ihrer eigenen Krankheitsgeschichten. Das kann durchaus auch ordentlich Motivation schenken, weil man plötzlich eine Art von Aufmerksamkeit erhält, die im Alltag oft fehlt. Man fühlt sich wahrlich gesehen und allein das kann Kraft geben.

4. Betroffene finden mehr zu sich selbst, weil die Selbsthilfegruppentreffen die Möglichkeit bieten, Selbstentwertung und Ähnliches abzubauen. Die Treffen zeigen, dass wir alle wunderbare und wertvolle Menschen sind. Sie zeigen, dass keiner willensschwach ist und erlauben, die eigene Schönheit zu erkennen. Das wird durch das empathische Mitfühlen der anderen Gruppenmitglieder erreicht, was auf sich selbst übertragen werden kann. Betroffene lernen also Selbstfürsorge und Selbstmitleid.
 
5. Betroffene bekommen die Chance dazu, sich zu vernetzen und Kontakte zu knüpfen. Bei den Treffen lernt man sehr liebe Menschen kennen, die durchaus zu Freunden werden können.

Natürlich ist dies keine vollständige Auflistung, sondern nur eine kleine Sammlung von Aspekten. Wie ihr euch denken könnt, sind Selbsthilfegruppen aber genauso wenig ein Wundermittel wie die Creme aus der Apotheke von nebenan. Es geht darum, das Potential zu erkennen und für sich zu nutzen. Selbsthilfegruppen haben selbstverständlich auch ihre Grenzen - so können sie zum Beispiel nicht (in vollem Umfang) das leisten, was eine Therapie leisten kann und sind letztendlich immer nur Anregungen. Denn am Ende machen wir selbst was aus dem, was uns die Gruppe mitgibt.

Falls ihr wissen wollt, wie die Online-Treffen der SHG Köln ablaufen, dann schaut mal in diesen Post von mir. Außerdem gibt es eine FAQ-Seite der SHG Köln, wo ihr auch nochmal einige Infos finden könnt. Seid euch immer bewusst: Ihr begebt euch bei einem Selbsthilfegruppentreffen in einen geschützten, sensiblen und vertrauensvollen Rahmen mit lauter Gleichgesinnten - da braucht ihr keine Angst oder Scham haben. Den anderen Teilnehmern geht es doch wie euch. Sie kennen viele eurer Gefühle, Gedanken und Erfahrungen nur zu gut und wissen deshalb ganz intuitiv, was man eher nicht macht und wie man rücksichtsvoll und herzlich reagiert. Ihr seid also stets willkommen!

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