6. September 2019

Derma Self Love Club - 6

Einen schönen guten Morgen wünsche ich euch!

In dieser Postserie (alle Teile hier zu finden) berichtet Janika, eine liebe Freundin und Betroffene, von ihren Erfahrungen mit Skin Picking. Heute soll es um einen typischen Tag mit Skin Picking gehen - Janika lässt euch dafür in ihren Kopf schauen und schildert anhand einer dialogischen Form ihre Gedanken. Führt ihr auch solche "Gespräche" mit eurer Dermatillomanie? Könnt ihr nachempfinden, wovon Janika erzählt? Ich finde diesen Perspektivwechsel sehr spannend und müsste meine Gedankenmuster mal daraufhin analysieren.

Bevor es losgeht, möchte ich eine Triggerwarnung geben: Wer betroffen ist und sich von Beschreibungen dieser Art getriggert fühlt, möge darauf hingewiesen sein und diesen Beitrag bei Bedarf gerne überspringen!


"Ein Tag in meinem Kopf

Das Gespräch mit der Dermatillomanie findet in meinem Kopf statt.
Der graue Text gibt die Redeanteile der Dermatillomanie wieder.
Dies ist eine um ein vielfaches gekürzte Version. Da ich nicht zu sehr triggern möchte, habe ich stärkere Gedanken hier weggelassen.

Ein neuer Tag beginnt. Ich wache auf. Ich mag die Ruhe vor dem Sturm. In den ersten paar Sekunden an einem neuen Tag empfinde ich keinerlei Zwang. Ich bin frisch im Kopf. Dann klopft sie an.
Wie war das eigentlich? Hast du gestern viel gedrückt? Stimmt, gestern Abend vor dem Duschen. Das müsste man heute doch dann fühlen. Lass uns mal am Kinn anfangen.
Sei ruhig! Ich will nicht schon gleich am Morgen drücken, dann ist der ganze Tag wieder dahin! Ich muss mich dann hier in meiner Wohnung verkapseln. Bitte heute einmal nicht.
Naja, wenn du eine passendere Ablenkung findest, etwas, das dir mehr Spaß macht und Entspannung bringt als ich, dann bitte.
Ich atme tief durch, ziehe mir die Decke über das Gesicht, spanne einmal meine Fäuste an und stehe dann auf. Ich ziehe mich an. Ich stehe mit einer Distanz zum Spiegel, erkenne aber trotzdem die Krusten, die sich über Nacht gebildet haben. Ich versuche sie zu ignorieren, indem ich mich auf das fokussiere, was ich mir für den Morgen vorgenommen habe. Solange ich beschäftigt bin, höre ich keine Stimme. Als ich mit meiner Arbeit fertig bin, meldet sie sich sofort.
Na hör mal, du hast die letzten Aktivitäten durchgeführt mit Krusten in deinem Gesicht! Die gehören da doch nicht hin. Stell dir vor, du kannst sie verschwinden lassen. Ich verspreche dir, ich bin ruhig, wenn du jetzt einmal an den Spiegel gehst.
Nein, das werde ich nicht. Meine Haut hat mir nichts getan und du bringst mich auch nicht dazu, anders darüber zu denken.
Wie du meinst. Dann sorge ich nun dafür, dass du die gaaanze Zeit an nichts anderes denken kannst als an deine Haut. Haut. Haut. Haut.
Ich gehe mit meinen Fingern, die in einem Latexhandschuhe stecken, über meine Haut. Ich pausiere an Unebenheiten. Ich nehme mein Handy und betrachte das Spiegelbild. Ich ziehe meine Hand aus dem Handschuhe und knibbel ein paar Minuten. Ich kann mich befreien und stecke meine Hand zurück in den Handschuh.
Guck, das war doch gar nicht so schwer. Ich gebe dir dafür drei Sekunden, die du an etwas anderes denken kannst.
Ich fühle mich für drei Sekunden stark. Wie befreit.
Du hast gerade Haut weggeknibbelt. Willst du nicht mal im Spiegel nachschauen, was daraus geworden ist?
Es ist nichts passiert. Knibbeln reicht für den Moment. Vor dem Spiegel verführst du mich nur wieder zum Quetschen. Lass mich in Ruhe.
Dann durchflute ich deinen Körper nun mit einem tierisch anspannenden Gefühl.
Ich weiß, das ist ja nichts Neues. Ich fange an zu weinen. Ich denke mir, wenn ich nur einmal quetsche, habe ich etwas Ruhe. So wenig Aufwand für so ein tolles Ergebnis! Alle meine Vorsätze, Vorteile vom Widerstehen und positiven Argumenten gehen in der Flut der verführerischen Gedanken unter. Ohne noch einen Konter geben zu können, bin ich vor dem Spiegel gefangen.
:) Danke.
Siehst du?
Dank mir fühlst du dich besser.
Ich wache aus der Trance auf und reiße mich vom Spiegel weg. Nein, dank dir geht es mir schlechter, du trügst mich! Meine Haut brennt, ich weine und verkrieche mich unter der Decke. Nach dem ersten Schock suche ich Ablenkung und kann für einige Zeit meine Dermatillomanie vergessen. Ich denke nur in Bruchstücken an sie und dann als etwas, das ein Teil von mir ist. Aber auch als etwas, das ich hundertprozentig mit dieser Quetschepisode abgeschlossen habe. Jetzt ist meine Haut genügend bearbeitet. Juhu, ich muss nie mehr quet...
Hier bin ich wieder. Bist du dir sicher, dass du ambitioniert genug warst? Hast du sicher alle verdächtigen Stellen genügend gedrückt?
Ich gehe im Geiste die vorangegangene Episode durch. Ich merke, dass ich bei einer Stelle vielleicht nicht gründlich genug war.
Ich helfe gerne. Also, wollen wir noch mal?
Ich lasse mich erneut vor den Spiegel ziehen. Erst nach Stunden höre ich auf und gehe mit Herzschmerzen und mit einer innerlichen Leere unter die Dusche. Nach der Dusche fühle ich mich innerlich gereinigt und kann etwas Entspannung empfinden. Ich gehe ins Bett, schaue noch etwas fern und schließe die Augen.
Gute Nacht, bis morgen!

Fühlt euch gedrückt
Eure Janika"

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