In dieser Postserie (alle Teile hier zu finden) berichtet Janika, eine liebe Freundin und Betroffene, von ihren Erfahrungen mit Skin Picking. Heute soll es um einen typischen Tag mit Skin Picking gehen - Janika lässt euch dafür in ihren Kopf schauen und schildert anhand einer dialogischen Form ihre Gedanken. Führt ihr auch solche "Gespräche" mit eurer Dermatillomanie? Könnt ihr nachempfinden, wovon Janika erzählt? Ich finde diesen Perspektivwechsel sehr spannend und müsste meine Gedankenmuster mal daraufhin analysieren.
Bevor es losgeht, möchte ich eine Triggerwarnung geben: Wer betroffen ist und sich von Beschreibungen dieser Art getriggert fühlt, möge darauf hingewiesen sein und diesen Beitrag bei Bedarf gerne überspringen!
"Ein Tag in meinem Kopf
Das Gespräch mit der Dermatillomanie
findet in meinem Kopf statt.
Der graue Text gibt die
Redeanteile der Dermatillomanie wieder.
Dies ist eine um ein vielfaches
gekürzte Version. Da ich nicht zu sehr triggern möchte, habe ich
stärkere Gedanken hier weggelassen.
Ein neuer Tag beginnt. Ich wache auf.
Ich mag die Ruhe vor dem Sturm. In den ersten paar Sekunden an einem
neuen Tag empfinde ich keinerlei Zwang. Ich bin frisch im Kopf. Dann
klopft sie an.
Wie war das eigentlich? Hast du
gestern viel gedrückt? Stimmt, gestern Abend vor dem Duschen. Das
müsste man heute doch dann fühlen. Lass uns mal am Kinn anfangen.
Sei ruhig! Ich will
nicht schon gleich am Morgen drücken, dann ist der ganze Tag wieder
dahin! Ich muss mich dann hier in meiner Wohnung verkapseln. Bitte
heute einmal nicht.
Naja, wenn du eine passendere
Ablenkung findest, etwas, das dir mehr Spaß macht und Entspannung
bringt als ich, dann bitte.
Ich atme tief
durch, ziehe mir die Decke über das Gesicht, spanne einmal meine
Fäuste an und stehe dann auf. Ich ziehe mich an. Ich stehe mit einer
Distanz zum Spiegel, erkenne aber trotzdem die Krusten, die sich über
Nacht gebildet haben. Ich versuche sie zu ignorieren, indem ich mich
auf das fokussiere, was ich mir für den Morgen vorgenommen habe.
Solange ich beschäftigt bin, höre ich keine Stimme. Als ich mit
meiner Arbeit fertig bin, meldet sie sich sofort.
Na hör mal, du hast die letzten
Aktivitäten durchgeführt mit Krusten in deinem Gesicht! Die gehören
da doch nicht hin. Stell dir vor, du kannst sie verschwinden lassen.
Ich verspreche dir, ich bin ruhig, wenn du jetzt einmal an den
Spiegel gehst.
Nein, das werde ich
nicht. Meine Haut hat mir nichts getan und du bringst mich auch nicht
dazu, anders darüber zu denken.
Wie du meinst. Dann sorge ich nun
dafür, dass du die gaaanze Zeit an nichts anderes denken kannst als
an deine Haut. Haut. Haut. Haut.
Ich gehe mit meinen
Fingern, die in einem Latexhandschuhe stecken, über meine Haut. Ich
pausiere an Unebenheiten. Ich nehme mein Handy und betrachte das
Spiegelbild. Ich ziehe meine Hand aus dem Handschuhe und knibbel ein
paar Minuten. Ich kann mich befreien und stecke meine Hand zurück in
den Handschuh.
Guck, das war doch gar nicht so
schwer. Ich gebe dir dafür drei Sekunden, die du an etwas anderes
denken kannst.
Ich fühle mich für
drei Sekunden stark. Wie befreit.
Du hast gerade Haut weggeknibbelt.
Willst du nicht mal im Spiegel nachschauen, was daraus geworden ist?
Es ist nichts
passiert. Knibbeln reicht für den Moment. Vor dem Spiegel verführst
du mich nur wieder zum Quetschen. Lass mich in Ruhe.
Dann durchflute ich deinen Körper
nun mit einem tierisch anspannenden Gefühl.
Ich weiß, das ist
ja nichts Neues. Ich fange an zu weinen. Ich denke mir, wenn ich nur
einmal quetsche, habe ich etwas Ruhe. So wenig Aufwand für so ein
tolles Ergebnis! Alle meine Vorsätze, Vorteile vom Widerstehen und
positiven Argumenten gehen in der Flut der verführerischen Gedanken
unter. Ohne noch einen Konter geben zu können, bin ich vor dem
Spiegel gefangen.
:) Danke.
Siehst du?
Dank mir fühlst du dich besser.
Ich wache aus der
Trance auf und reiße mich vom Spiegel weg. Nein, dank dir geht es
mir schlechter, du trügst mich! Meine Haut brennt, ich weine und
verkrieche mich unter der Decke. Nach dem ersten Schock suche ich
Ablenkung und kann für einige Zeit meine Dermatillomanie vergessen.
Ich denke nur in Bruchstücken an sie und dann als etwas, das ein
Teil von mir ist. Aber auch als etwas, das ich hundertprozentig mit
dieser Quetschepisode abgeschlossen habe. Jetzt ist meine Haut
genügend bearbeitet. Juhu, ich muss nie mehr quet...
Hier bin ich wieder. Bist du dir
sicher, dass du ambitioniert genug warst? Hast du sicher alle
verdächtigen Stellen genügend gedrückt?
Ich gehe im Geiste
die vorangegangene Episode durch. Ich merke, dass ich bei einer
Stelle vielleicht nicht gründlich genug war.
Ich helfe gerne. Also, wollen wir
noch mal?
Ich lasse mich
erneut vor den Spiegel ziehen. Erst nach Stunden höre ich auf und
gehe mit Herzschmerzen und mit einer innerlichen Leere unter die
Dusche. Nach der Dusche fühle ich mich innerlich gereinigt und kann
etwas Entspannung empfinden. Ich gehe ins Bett, schaue noch etwas
fern und schließe die Augen.
Gute Nacht, bis morgen!
Fühlt euch gedrückt
Eure Janika"
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