Dieser Blog dient mir seit 2014 als eine Art "Tagebuch", in dem ich meine Reise mit dem Skin Picking festhalte. Des Weiteren möchte ich informieren, das Thema bekannter machen und anderen Betroffenen Verständnis, Mut sowie Inspiration schenken. Nebenbei teile ich auch andere Bereiche meines Lebens mit euch, lade Fotos hoch und Ähnliches. Viel Freude und Erkenntnisse beim Lesen!
7. Februar 2015
Verschiedene Gesichter der Dermatillomanie
1. Skin Picking als Zeitvertreib
Dies ist eine Seite der Verhaltensstörung, die ich ziemlich oft erlebe. Ich habe entweder nichts vor und deswegen Langeweile oder ich will mich vor anstehenden Aufgaben drücken, sodass ich mich in meine Dermatillomanie flüchte. Meistens sperre ich mich dafür ins Badezimmer, mache den Licht am Alibert an und drücke ausgiebig und lange an meiner Haut herum. Ziel ist dabei für mich (zumindest unterbewusst), möglichst viel Zeit damit zu verschwenden bzw. die nicht ausgefüllte Zeit "sinnvoll" zu füllen. Das Skin Picking stellt für mich in dem Moment eine Art Rechtfertigung dar, weshalb ich meine Augen vor dem eigentlich bösartigen Charakter des Skin Pickings verschließe. Im Normalfall will ich währenddessen auch nicht aufhören, sondern stundenlang damit weitermachen und daher ist es am Ende mindestens eine Stunde, die ich im Bad gestanden habe. Wenn ich fertig bin, kann es aber auch vorkommen, dass ich am Spiegel in meinem eigenen Zimmer weiter drücke. Es ist eigentlich so banal, das Ganze als einen Zeitvertreib zu verwenden, aber gleichzeitig ist es auch extrem verheerend.
Entgegenwirken kann man dieser Seite des Skin Pickings, indem man sich andere Lückenfüller für unausgeplante Tage sucht, wie z.B. malen, zeichnen, lesen, backen, fernsehen, aufräumen, putzen, Hausaufgaben usw. Das Gleiche gilt, wenn man sich unbedingt vor nervigen Aufgaben drücken möchte - lieber lenkt man sich mit dem PC, dem TV o.Ä. ab, als seine Haut zu zerstören. Letzendlich sollte man natürlich trotzdem die anstehenden Aufgaben erledigen, das ist klar. Aber das möchte ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen, da es nicht das eigentliche Thema ist.
2. Skin Picking als Stressabbaumethode
In den letzten Tagen habe ich diese Seite der Verhaltensstörung das erste Mal bewusst bei mir selbst erkannt. Ich hatte einen unglaublich stressigen Tag und war total aufgewühlt und hibbelig. Als der Tag halb vorbei war und ich "nur" noch Hausaufgaben vor mir hatte, die ich zuhause erledigen kann, wo mich niemand sieht, musste ich den ganzen Stress in mir loswerden. Eigentlich höre ich dann Musik oder esse etwas, aber beides kam zu dem Zeitpunkt nicht in Frage, daher war Skin Picking leider der letzte Ausweg in meinen Augen, um das Stresslevel etwas zu senken. Näher betrachtet ist es also der Stress, der an meiner Haut drückt und den ich an meinem Körper rauslasse. Denn wenn ich fertig bin, geht es mir bezüglich des Stresses immer besser und ich bin ausgeglichener. Trotzdem bin ich mir bewusst, dass es der falsche Weg ist, um Stress entgegenzuwirken.
Besser ist, andere Wege zu suchen, bei denen man sich absolut sicher ist, dass sie funktionieren. Jeder hat seine eigenen speziellen Tricks, um Stress loszuwerden und auf genau die sollte man dann zurückgreifen. Das kann, wie bereits gesagt, Musik oder Essen sein, aber auch andere Dinge, wie ein schöner warmer Tee, Kekse backen, Nägel lackieren, baden ect. Stellt euch vielleicht eine Liste mit Stressabbaumethoden zusammen, die ihr in entsprecheneden Situationen hervorholt. So dürftet ihr dann immer eine passende Methode bereit haben.
3. Skin Picking als Beruhigung
Dieser Punkt ähnelt im Großen und Ganzen dem Punkt 2, ist allerdings von anderen Gefühlen geprägt. Das Drücken an der Haut zur Beruhigung kommt dann zum Einsatz, wenn es einem schlecht geht. Dazu können folgende Gefühle zählen: Einsamkeit, Traurigkeit, Wut, Aufgewühltsein, innere Leere, Sehnsucht, Heimweh, Enttäuschung und vieles mehr. Ich denke, ihr versteht da, was ich meine. Es ist völlig egal, welches Gefühl einen gerade im Griff hat, man möchte sich nur ablenken und beruhigen. Man möchte diesem Gefühl entfliehen und für eine gewisse Zeit in einer anderen Welt schweben. Wenn man sich dann fragt, wie man das am besten schafft, wird eine der ersten Ideen sehr wahrscheinlich das Skin Picking sein. Andererseits kann es auch sein, dass man gar nicht nachdenkt, sondern die Hände von ganz allein an die betroffenen Stellen wandern oder die Füße einen automatisch zum Spiegel führen. Das klingt vielleicht etwas merkwürdig, aber so fühlt es sich wirklich an! Voller Vorfreude beginnt man mit dem Drücken und empfindet sofortige Beruhigung und Befriedigung... Das ist ziemlich kontrovers, denkt ihr euch vielleicht. Schließlich löst das Skin Picking letzendlich Unmengen an negativen Gefühlen aus, schafft es aber dennoch, einen perfekt zur Ruhe zu bringen. Ich persönlich finde es fatal, dass man sich dieser Beruhigung und damit der scheinbar schönen Seite des Skin Pickings jederzeit bedienen kann. Eigentlich ist es falsch.
An dieser Stelle kann ich euch nur die gleichen Tipps geben, wie bei Punkt 1 und 2. Sucht und findet Alternativen, euch zu beruhigen. Zur Not sprecht lieber mit engen Freunden, der Familie oder dem Partner über eure Gefühle. Schreibt Tagebuch, hört dabei laute Musik und ja, ihr könnt auch mal weinen. Meistens geht es einem besser, wenn man den Gefühlen freien Lauf lässt und sie nicht mit Skin Picking "erstickt"!
4. Skin Picking als Bestrafung
Zuerst möchte ich sagen, dass diese Seite bei mir nicht mehr aktuell ist und (so gut wie) nie vorkommt. Es geht um das - für mich persönlich - schlimmste Gesicht der Dermatillomanie. Skin Picking als Bestrafung ist eine Art des selbstverletzenden Verhaltens und hat viel mit Komplexen, Selbsthass und dem Teufelskreis zu tun. Als ich meine mehrjährige Tiefphase hatte, habe ich hauptsächlich aus dem Grund gedrückt. Ich wollte mich mit Skin Picking für Skin Picking bestrafen, kann man kurz und knackig sagen. Genauer gesagt habe ich mich für das gehasst, was ich mit mir machte; dass ich mich so verunstaltete. Ich suchte die Schuld stets bei mir selbst und konnte mein Aussehen einfach nicht akzeptieren, ich war in meinen Augen bloß ein Monster. Und weil ich eh so schlimm aussah, habe ich mir gedacht, dass ich es sowieso nicht noch schlimmer machen kann und habe noch mehr gedrückt. Hauptsache, ich konnte mich in einer schrecklichen Art und Weise für meine eigenen Fehler und Schwächen bestrafen. Natürlich war das ein Teil eines riesigen Teufelskreises, aus dem man dann nicht mehr rauskommt. Man hat keine Selbstachtung und kann sich nicht verzeihen, dass man auch mal schwach ist. Es gibt (scheinbar) kein Licht am Ende des Tunnels, man fixiert sich nur auf die schrecklich aussehende Haut und die Probleme, die das mit sich bringt. In keinem Moment kommt man auf die Idee, dass man sich diesen Problemen stellen muss - man hat auch keine Kraft dafür. Viel lieber versucht man, vor sich selbst und den Problemen wegzulaufen, das ist sowieso einfacher.
Bei dieser Seite kann das Skin Picking wirklich schlimme Folgen für die Haut haben, da man meistens doller und länger drückt (/kratzt/pult/ect.) und man von Gleichgültigkeit demgegenüber beeinflusst ist. Es gibt keine motivierenden Gedanken, die einen eventuell dazu bringen, sich sorgsam um seine Haut zu kümmern.
Tipps gegen diese Art der Dermatillomanie zu geben, ist fast unmöglich. Man sollte weder anderen Bestrafungsalternativen nachgehen, noch sollte man den Frust in sich hineinfressen. Da ich selbst einen langen, harten Weg mit dieser Seite hinter mir habe, weiß ich, dass nur eine Änderung in sich selbst hilft. Jetzt, wo es mir insgesamt besser geht, ich zufriedener mit mir bin und mir Fehler verzeihen kann, kommt es nicht mehr vor, dass ich mich mit Drücken bestrafe. Also tut euch selbst den Gefallen und sucht euch Hilfe, wenn ihr große und schwere Probleme mit euch selbst habt. Gebt euch einen Ruck und fangt klein an: Sprecht mit Angehörigen. Werdet erstmal eure Gedanken, Sorgen und Gefühle los. Irgendwann werdet ihr hoffentlich verstehen, dass ihr kein Monster seid, weil ihr an eurer Haut drückt/kratzt! Irgendwann werdet ihr einsehen, dass man sich Fehler verzeihen und gut zu sich selbst sein muss, um aus dem Teufelskreis herauszukommen. Alles in allem ist diese Thematik sehr kompliziert, weshalb ich es mal dabei belasse.
5. Skin Picking als Ritual
Hierbei kommen wir an einen Punkt, wo die Gewohnheit und der Alltag eine große Rolle spielen. Skin Picking als Ritual hat viel mit dem persönlichen Verhalten zu tun und ist daher individuell verschieden. Die einen Skin Picker bearbeiten ihre Haut morgens nach dem Aufstehen, die Anderen abends nach dem Abschminken oder auch nachts, wenn man ungestört ist. Es ist zu einer Art "Normalität" geworden, sich zu gewissen Zeiten seiner Haut zu widmen und es ist sozusagen eine Zuflucht, die jeden Tag gesichert ist. Es ist eine Zuflucht, die einen für den Moment von den Schattenseiten des Alltags entfliehen lässt und man möchte sie eigentlich nicht missen. Bei mir ist es z.B. so, dass ich in der Schulzeit morgens aufstehe, ins Bad gehe, das Licht am Alibert anmache und erstmal meine Pickel, die sich über die Nacht gebildet bzw. verschlimmert haben, ausdrücke. Ich checke jedes Mal erneut die gleichen Stellen ab, wie ein Scanner. Doch dabei verliere ich meistens die Kontrolle, so dass ich auch Stellen bearbeite, wo eigentlich nichts ist. Es ist für mich ein Ritual, meinen Körper nach Pickeln und Unreinheiten abzusuchen, sobald ich Zeit dafür habe oder die Körperstellen freigelegt sind (z.B. beim Duschen). Rituale sollten eigentlich etwas Gutes sein, doch Skin Picking ist definitiv nichts Gutes...
Wie kann man diese Rituale aus seinem Alltag streichen? Eigentlich ist es recht einfach, nur die Umsetzung ist ungewohnt und daher etwas schwieriger. Rituale entstehen aus immer gleich ablaufenden Verhaltensketten und diese muss man unterbrechen, um das Ritual loszuwerden. Man muss etwas anders machen. Bei meinem Beispiel müsste ich morgens vielleicht das Licht am Alibert auslassen oder statt zu drücken, das Gesicht länger und ausgiebiger mit Wasser waschen und abtrocknen. Normalerweise drücke ich auch immer nach dem Abschminken, dafür könnte man dann beispielsweise in ein anderes Zimmer (ohne Spiegel) gehen. Es gibt viele Möglichkeiten und ihr müsst da selbst schauen, wie ihr eure eigenen Verhaltensketten verändern/unterbrechen könnt.
Das war's auch schon und ich hoffe, ich konnte ein bisschen näher aufklären und hilfreiche Tipps geben. Wenn ihr als betroffene Person selbst noch eine sechste oder siebte Seite des Skin Pickings bei euch erkennt, dann würde ich mich freuen, wenn ihr mir die mithilfe eines kleinen Kommentares mitteilen würdet! Bis bald, Jacqueline. :)
3 Kommentare:
Ich hoffe, euch hat dieser Post gefallen! Ihr wollt einen Kommentar hinterlassen, mir Lob, Anregungen, Tipps oder auch Kritik geben? Dann macht das, ich freue mich jederzeit über Rückmeldungen und werde antworten. :) Ihr wollt mich weiterführend per E-Mail anschreiben? Ich bin unter folgender E-Mail für euch erreichbar: dermatillomanie-blog@web.de
- Kommentare und Datenschutz -
Dieser Blog ist mit Blogspot, einem Googleprodukt, erstellt. Es gelten die Datenschutzerklärung und Nutzungsbedingungen für Google-Produkte.
Um auf diesem Blog zu kommentieren, brauchst du ein Google-Konto. Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass der von dir geschriebene Kommentar und die personenbezogenen Daten, die damit verbunden sind (z.B. Username, E-Mailadresse, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu gibt es in meiner Datenschutzerklärung.
hi Jacqueline!;) bin grad eben auf deinen Blog gestoßen auf der suche nach tipps gegen Skin picking, da mich Dermatillomanie jetzt auch schon seit mehreren Jahren verfolgt. Mein Name ist Anoucha, Ich bin 16 Jahre alt und habe mich kläglich an einem blog versucht, in der Hoffnung Hilfe zu bekommen und in Kontakt mit anderen Personen mit Dermatillomanie zu kommen. Vielleicht könntest du ja mal bei meiner Seite vorbei schauen?:) http://mylifewithdermatillomania.blogspot.de/
AntwortenLöschenIch werde deinen Blog auf jeden Fall weiter verfolgen :)
hoffentlich bis bald, Anoucha
Hallo Anoucha! Freut mich, dass du auf meinem Blog gelandet bist und er dir offensichtlich gefällt! :) Bei dir habe ich vorbeigeschaut, leider hast du ja nicht so viel geschrieben... Wenn das nichts für dich ist, kannst du dich ja sonst an einem privaten Tagebuch versuchen? Vielleicht ist das eher was für dich. Ansonsten alles Gute weiterhin!
Löschenerstmal vielen dank für deine Antwort ;) ja... das mit dem bloggen hilft mir glaub ich nicht wirklich, aber ich dachte eben ich probier mal alles aus, was dagegen helfe könnte. Die Idee mit dem Tagebuch ist gut und ich denke ich werde es für die nächsten Wochen mal probieren. Auf jeden Fall werde ich deinen Blog weiterhin verfolgen. Ich denke es hilft mir dass ich nicht alleine bin. Nochmals danke für deine Antwort und Liebe Grüße :)
AntwortenLöschen